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samen Melodien und Lieder. Denn was ein jeder Vogel damals
gelernt und sich eingeprägt hat, das ist so wieder auf seine Nach-
kommen übergegangen und hat sich vererbt von Kind zu Rind.“
Als der gelehrte Vogel seine lange Auskunft beendet bhatte,
bog er sich ein wenig ermüdet auf dem Zweige zurück und hob
das Bein wvie zum Grusse in die Höõbe, worauf ich mich schönstens
bedankte und ibhm Lebewobl sagte.
8o ist's wirklich; denn wohber sollte auch sonst die Nachtigall
den herrlichen Gesang gelernt haben? — Mer's mir aber nicht
glauben will, der gehe nur selber, wie ieh's getan habe, an einem
schönen Frühlingsmorgen durebh den Wald, und wenn der alte
Vogel inzwischen nicht gestorben ist, der wird's ihm schon sagen!
„Mie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen.“
Klotko.
17. Die Roßkastanie.
Vor mehreren hundert Jahren reisten Leute aus unserm Erdteil
nach fernen Landen, wo die Sonne wärmer scheint als bei uns, und
viele andere Bäume und Blumen wachsen. Unter den fremden Bäumen
gefiel ihnen einer besonders wohl. „Das ist ein gar prächtiger Baum,“
sprachen sie. „Wie hoch ragt sein mächtiger Stamm empor, wie schön
ist seine Krone, deren dichtbelaubte Aste uns so kühlenden Schatten
geben, und wie herrlich schimmern die weißen Blütensträuße, welche
den Baum zahlreich bedecken! Wir möchten ihn bei uns haben.“ Und
nun nahmen sie von seinen glänzenden, braunen Früchten mit sich, um
sie in ihrer heimatlichen Gegend zu pflanzen. Was sie sich vorge—
nommen hatten, das führten sie auch aus. Der Baum gedieh in
unserem Erdteil, und seitdem wächst er sehr häufig bei uns in öffent—
lichen Anlagen, in Gärten und vor den Häusern. Es ist die uns
allen jetzt so wohl bekannte Roßkastanie.
Obgleich die Roßkastanie aus wärmeren Ländern zu uns gekommen
ist, gehört sie doch zu den Bäumen, die am frühesten zu grünen be—
ginnen. Lange hat sie ihr Blätterkleid zugerüstet. Wenn im Winter
ihre ÄAte noch mit Schnee belastet sind, zeigt sie schon die dicken
Knospen, in denen zarte Blätter oder Blüten verborgen schlummern;
durch klebrige Schuppen sind sie gegen die Kälte wohl geschützt. So—
bald die Märzsonne ihre warmen Strahlen wirft, schwellen die Knospen
mächtig an; ungeduldig harren sie der Zeit, da sie die Winterhülle
abwerfen können. Nach dem ersten lauen Regen öffnen sie sich, und
Deutsche Jugend U. 7