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72. Kindesdank. 
Ein König ritt einst spazieren und erblickte einen alten Bauer, 
der neben der Straße fröhlich singend seinen Acker pflügte. „Du 
mußt es gut haben, Alter,“ sagte der König, „gehört der Acker dir, 
auf dem du so fleißig arbeitest?“ „Nein, Herr,“ antwortete der Bauer, 
welcher den König nicht kannte, „so reich bin ich nicht; ich pflüge um 
Lohn.“ „Wieviel verdienst du täglich?“ fragte der König weiter. 
„Acht Groschen!“ antwortete der Bauer. „Das ist nicht viel,“ sagte 
der König; „kannst du denn damit auskommen?“ „Auskommen?“ er— 
widerte der Bauer, „das muß weiter reichen.“ „Wie so das?“ Der 
Bauer lächelte und sagte: „Nun, wenn Ihr es gerade wissen wollt, 
zwei Groschen sind zum Auskommen für mich und mein Weib, mit 
zweien bezahle ich alte Schulden; zwei leihe ich aus, und zwei ver— 
schenke ich um Gottes willen.“ „Das ist ein Rätsel,“ erwiderte der 
König, „das kann ich nicht lösen.“ „Nun,“ entgegnete der Bauer, 
„so will ich's tun. Ich habe zu Hause noch zwei alte Eltern, die 
haben mich einst ernährt, als ich schwach war; nun sie schwach sind, 
muß ich sie ernähren; das ist die Schuld, die ich zu zahlen habe, und 
darauf wende ich täglich zwei Groschen. Das dritte Paar Groschen, 
die ich ausleihe, wende ich auf meine Kinder, damit sie etwas Gutes 
lernen und christlich unterwiesen werden; das soll mir und meinem 
Weibe einst zu gute kommen, wenn wir alt sind. Mit den beiden 
letzten Groschen erhalte ich zwei kränkliche Schwestern, die ich gerade 
nicht zu versorgen hätte; diese verschenke ich also um Gottes willen.“ 
Der König, welchem die Antwort sehr wohlgefiel, sagte: „Brav, 
Alter; nun will ich dir auch etwas zu raten geben. Hast du mich 
schon einmal gesehen?“ „Niemals!“ sagte der Bauer. „Ehe fünf 
Minuten vergehen, sollst du mich fünfzigmal sehen und fünfzig meines— 
gleichen in der Tasche heimtragen.“ „Das ist ein Rätsel,“ sagte der 
Bauer, „das kann ich nicht lösen.“ „Nun, so will ich's tun,“ er— 
widerte der König, griff in die Tasche und zählte ihm fünfzig nagel— 
neue Goldstücke in die Hand, auf deren jedem sein Bildnis geprägt 
war, und sagte zu dem staunenden Bauer, der nicht wußte, wie ihm 
geschah: „Die Münze ist gut, denn sie kommt von unserm Herrgott. 
und ich bin sein Zahlmeister.“ 
Caspari. 
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