138
Schneewittchen.
so antwortete er endlich:
„Frau KRönigin, Ihr seid die Schönste im Land.“
Da hatte ihr neidisches Herz Ruhe, so gut ein neidisches herz
Ruhe haben kann.
Die Zwerglein, wie sie abends nach Haus kamen, fanden
Schneewittchen auf der Erde liegen, und es ging kein Atem mehr
aus seinem Mund, und es war tot. Sie hoben es auf, suchten,
ob sie was Giftiges fänden, schnürten es auf, kämmten ihm die
Hhaare, wuschen es mit Wasser und Wein, aber es half alles
nichts: das liebe Nind war tot und blieb tot. Sie legten es auf
eine Bahre und setzten sich alle sieben daran und beweinten es und
weinten drei Tage lang. Da wollten sie es begraben; aber es sah
noch so frisch aus wie ein lebender Mensch und hatte noch seine
schönen, roten Backen. Sie sprachen: „Das können wir nicht in die
schwarze Erde versenken!“ und ließen einen durchsichtigen Sarg
von Glas machen, daß man es von allen Seiten sehen konnte,
legten es hinein und schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen
darauf und daß es eine Rönigstochter wäre. Dann setzten sie den
Sarg hinaus auf den Berg, und einer von ihnen blieb immer
dabei und bewachte ihn. Und die Tiere kamen auch und be—
weinten Schneewittchen, erst eine Eule, dann ein Rabe, zuletzt ein
Täubchen.
Nun lag Schneewittchen lange, lange Zeit in dem Sarg und
verweste nicht, sondern sah aus, als wenn es schliefe; denn es
war noch so weiß als Schnee, so rot als Blut und so schwarz⸗
haarig wie Ebenholz. Es geschah aber, daß ein Königssohn in
den Wald geriet und zu dem Zwergenhaus kam, da zu übernachten.
Er sah auf dem Berg den Sarg und das schöne Schneewittchen
darin und las, was mit goldenen Buchstaben darauf geschrieben war.
Da sprach er zu den Zwergen: „Laßt mir den Sarg! Ich will
euch geben, was ihr dafür haben wollt.“ Aber die Zwerge ant⸗
worteten: „Wir geben ihn nicht um alles Gold in der Welt.“ Da
sprach er: „So schenkt mir ihn! Denn ich kann nicht leben, ohne