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Und sie gab ihm die Haselgerte, und lächelnd übernahm der alte
Herr die Wacht über das Federvieh.
Die Frau aber nahm das Kind an die Hand und führte es ins
Schloß. Am Thor stand ein Herr, und der lächelte auch und machte
eine tiefe, tiefe Verbeugung, — und als de lütte Dirn“ mit ihren
nackten Füßen neben der fremden Frau die teppichbelegte Treppe
emporschritt, da wurde ihr doch gar ängstlich zu Mute, und wenn
sie in den großen Spiegeln das kleine, schmutzige Gänsemädchen er—
blickte, schrak sie allemal zusammen und wurde puterrot.
Dann zog sie die Frau in ein kostbares Zimmer, ach so
etwas hatte die Gösdirn auch im Traume noch nicht gesehen.
„Num sollst du die Kaiserin sehen,“ sagte die liebe, freundliche
Frau und nahm aus einem kleinen Kästchen ein großes Medaillon
und ein Bild, — und die Kette hängte sie dem Gösdörning um und
gab ihr das Bild und sagte:
„Siehst du, das ist die Kaiserin!“
Wie das Gänsemädchen von Gravenstein wieder hinabgekommen
ist, wußte es nicht mehr zu erzählen, — die Kaiserin war's ja selber
gewesen, mit der sie geredet und gegangen und ihre „Gös“ heim—
getrieben!
Die Frau brachte das Waisenkind mit wohlgefüllten Taschen
wieder herunter ans Parkthor, wo der alte Herr mit großer Mühe
die schnatternden Federtiere beisammengehalten hatte.
Er gab ihr die Haselgerte wieder, an die er zwei Goldstücke
festgebunden hatte, und gab ihr einen Kuß auf den einen roten Paus—
backen und sagte lächelnd:
„Und nun schlüpf' heim, Gösdirning, und merk' dir's, daß
du den alten Moltke gelehrt hast, Gänse zu hüten!“
Und lächelnd gingen die exrlauchte Kaiserin Auguste
Victoria und der alte Moltke zurück in das Schloß.
Rudolf Bäh.
13. Mein Vaterland.
1. Dem Land, wo meine Wiege 2. Wie lieblich sind hier Berg und
stand, Thal,
ist doch kein andres gleich; die Wälder wie so schön,
es ist mein liebes Vaterland wie lockend auch im Sonnenstrahl
und heißt — das deutsche Reich. die rebumkränzten Höhn!