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dem reifen Apfel einige verdorrte Blättchen; das sind die verdorrten 
Kelchblätter. Beruttin. 
104. Die Geschichte einer 
Kornahre. 
Wenn du ein Getreidekörnlein in deiner Hand hast, so denkst du 
wohl nicht daran, daß dies etwas Lebendiges ist. Du hältst das Körn— 
lein an dein Ohr, es gibt keinen Laut von sich; du legst es auf den 
Tisch, es ruührt sich nicht; es ist nicht warm, nicht kalt, und doch steckt 
viel Leben darin. Der liebe Gott hat sogar in dieses eine kleine Körn— 
chen einen großen Halm mit einer langen Aehre von vielen Körnern 
versteckt, wenn es der Mensch mit seinen Augen auch nicht sehen kann. 
Kannst du doch auch in dem Ei des Vogels keine Federn, keine Flügel 
und keinen Schnabel sehen, und doch steckt ein epzer —A 
Das Korn ist auch ein solches Ei, das von der Erde wie von einer 
Bruthenne ausgebrütet wird. Der in ihm liegende Keim ist wohl 
verwahrt. Wie bei dem Ei kommt erst eine groͤbere, härtere Schale, 
die den weichen Kern wie ein Panzer umgibt. Zwischen ihr und dem 
Kerne liegt noch eine feinere, weichere Haut, damit die äußere Haut 
nicht zu sehr drückt. 
Hat das Samenkorn eine Zeit lang in der dunklen Erde ge— 
schlummert, so wecken es die Sonnenstrahlen aus seinem Schlafe. Der 
Keim in seinem Innern regt sich. Er saugt die weiße Milch auf, die 
ihn als Mehlstoff umgibt. Durch die aufgezehrte Muttermilch wird er 
bald so stark, daß er die äußere Schale zersprengt und zwei Spitzen 
hervortreibt, die man das Federchen und das Würzelchen nennt. Das 
Würzelchen geht nach unten in die finstere Erde; denn es weiß, daß es 
da Speise und Trank findet. Dabei theilt es sich in kleine Fasern, die 
man Wurzelfasern heißt, und mit diesen saugt es die Nahrung auf. — 
Die andere Spitze, das Federchen, welches zu Stengel und Blättern 
emporwachsen soll, wendet sich jedesmal von der Erde weg und steigt 
himmelwärts, um Licht und Luft zu suchen. 
Während sich unten in der Erde das Würzelchen ausbreitet, heben 
sich die grünen Grasblätter über die Erde empor. Das Licht und die 
Wärme bereiten in den feinen Röhrchen einen so süßen, nahrhaften 
Saft, daß Kühe, Schafe, Ziegen und Pferde kein Gras lieber verzehren, 
als das Korngras. Das ist so kräftig und hat solche Lust, nach oben 
zu wachsen, daß es nur desto fröhlicher wieder in die Höhe treibt, wenn 
die Thiere es abgeweidet, oder wenn die Menschen es abgeschnitten ha⸗ 
ben; denn es will in seiner Aehre den Menschenkindern das tägliche 
Brot bescheren. 
Es dauert nicht lange, so zeigt sich schon das junge Aehrchen. 
Dasselbe ist von einem Blatte wie von einem grünen Mantel umhüllt. 
Die Aehre darf nicht so nahe am Erdboden bleiben, damit die feuchten 
Dünste desselben sie nicht verderben. Darum steigt sie immer höher 
und höher empor. Zwar schwankend und dünn ist das Rohr, auf dessen 
Spitze die Aehre steht; doch hat es auch starke Knoten, daß es der 
Wind nicht zerknickt. Diese Knoten lassen durch viele kleine Loͤcher den 
Saft aus der Wurzel emporsteigen.
	        
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