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Erste Periode, bis 800.
nichtet) mit seinen Brüdern Gernot und Giselher, seine Mannen
Hagen und Volker und seine Schwester Kriemhild sind. Die Be¬
gebenheiten der Sage haben zum Mittelpunkte Worms am Rhein.
4. Der hunnische, dessen Held der Hunnenkönig Attila oder Etzel
(— Väterchen, f 453) ist mit seinem wackern Dienstmann Rüdiger
von Bechlaren. Der Sitz der Sage ist Ofen-Pest in Ungarn.
5. Der langobardische, dessen Helden König Rother (Rothari der
Geschichte, ch 650), Ortnit, Hugdietrich und dessen Sohn Wolf¬
dietrich sind.
6. Der Nordseesagenkreis, dessen Helden Hagen von Irland,
Heitel, Herwig und Gudrun, Heitels Tochter, sind. Schauplatz sind
die Nordseeküsten, Irland, Seeland und die Normandie.
7. Der alemannische, dessen Helden Walther von Wasgenstein
und Hildgund, dessen Schauplatz Ungarn und der Wasgenwald sind.
Der einzige Überrest von Dichtungen aus diesen Sagenkreisen ist
das Hildebrandslied, in welchem die niederdeutsche Sprache mit hoch¬
deutschen Elementen gemischt ist1.
Aufgezeichnet um das Jahr 800, behandelt dasselbe ein Stück aus der ost¬
gotischen Sage: Dietrich von Bern wird von Otater (Odoaker), an dessen Stelle
in der jüngeren Sage Ermenrich, der geschichtliche Ostgotenkönig Hermanrich, als
Kaiser und Dietrichs Oheim tritt, aus seinem Reiche vertrieben und im Ungarlande
von Etzel (Attila) freundlich aufgenommen mitsamt seinem Waffenmeister Hildebrand
(bild — Kampf und branä — Fackel), der seine Gattin mit einem unmündigen
Sohne in der Heimat zurückgelassen hat. Nach dreißig Jahren heimkehrend, stößt
er an der Grenze des Landes auf seinen ihm den Eingang wehrenden, ihn nicht
kennenden Sohn Hadubrand (üaäu — Krieg). Wider Willen muß er gegen seinen
Sohn den Kampf beginnen. Hiermit schließt das leider nur als Bruchstück vor¬
handene Gedicht, dessen düsterer Ton keinen Zweifel an dem tragischen Ausgang des
Kampfes gestattet, wie auch die um 1250 bis 1300 in Norwegen geschriebene
Thidreksaga (— Theoderichsage) den Sohn vom Vater erschlagen werden läßt. Ein
denselben Gegenstand behandelndes Volkslied des 15. Jahrhunderts läßt freilich den
Sohn dem Vater unterliegen, dann aber Versöhnung zwischen den Helden eintreten,
nachdem sie sich als Vater und Sohn erkannt haben.
Die Form des Gedichtes ist die alliterierende Langzeile mit acht He¬
bungen und unbestimmt vielen Senkungen, durch eine Zäsur in zwei Halbzeilen
geteilt, welche durch die A lli teration oder den Stabreim, d. h. den Eleichklang
der Anlaute (gleicher Konsonanten oder Vokale, die jedoch nicht die gleichen zu sein
brauchen) hochbetonter Silben, wiederum zu einem Ganzen vereinigt werden, indem
in der Regel zwei Wörter der ersten Halbzeile und ein Wort der zweiten unter¬
einander alliterieren.
1 Dasselbe, von Möncheshand ausgeschrieben, ist auf den inneren Deckblättern
eines lateinischen Gebetbuches im Kloster zu Fulda gefunden worden und befindet
sich jetzt auf der Landesbibliothek in Kassel.