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Sechstes Kap. Die Zeiten 
Aber diese Bewegungen sind von geringem Interesse. Nicht eine Sache oder 
eine Idee, blose Selbstsucht einzelner Großen war ihre Triebfeder, schnöde 
Hofkabalen, schlechte Weiberintrignen ihre Nahrung, das Wohl des Volkes 
nur Vorwand. Ein ränkevoller Priester, der Kardinal von Rez, stand an 
der Spize der Empörer. Die schöne Herzogin von Longneville, des Prin¬ 
zen von Conds Schwester, bewog durch den Zauber ihrer Reize selbst den 
edlen Turenne, ans ihre Seite zu treten. Doch bald kehrte der Held von 
seiner Verirrung zurück. Während des inneren Krieges, den die Fronde ver¬ 
anlaßte, entfernte sich Mazarini zweimal aus dem Reiche, kehrte aber im 
Triumphe zurück (1633), um sodann bis an seinen Tod die höchste Gewalt 
über Frankreich zu üben. Er war mehr schlau, als kräftig, mehr gewandt, 
als kühn, nicht so grausam, als Richelien, aber verstellter, im Ganzen glück¬ 
lich in seinen Unternehmungen, für Frankreichs äußere Größe entscheidend 
wirksam. Er hatte durch den Frieden zu Münster (1648) dieser Krone kost¬ 
baren Gewinn verschafft und, troz der gleich daraufausgebrochenen einheimischen 
Unruhen, den Krieg mit Spanien erfolgreich bis zum pyrenäischeu Frie¬ 
den (1639) fortgesezt. Als er starb (1661), übergab er dem drei und zwan¬ 
zigjährigen König Ludwig XIV. ein beruhigtes, sieggckröntes und dabei 
die Kräfte zu großen Dingen in sich tragendes Reich. 
§. 33. Von England. Jakob I. 
Die inneren Unruhen Frankreichs unter Richelieu's und Mazarini's Ver¬ 
waltung waren — nach dem Ausdrucke eines geistvollen Schriftstellers — wie 
die Farce zu dem großen politischen Trauerspiele, welches gleichzeitig in Eng¬ 
land aufgeführt ward. Die englische Revolution, welche den Thron, 
mit des Königs Blut besprizt, umstürzte, war nicht sowohl das Werk von 
König Karl's I. politischen Fehlern, als vielmehr die vollendete Entwicklung 
weit ftüher entstandener Verhältnisse, die in seiner Zeit reifende, beklagens- 
werthc Frucht von lange zuvor gestreutem Samen. 
Die seit des klugen Heinrich VII. und des despotischen Heinrich VIII. 
Zeit übermäßig erhöhte, durch Elisabeth's Talent und Glück der Unein- 
geschränktheit nahe gebrachte Königsgewalt hatte, als natürliche Gegenwir¬ 
kung, einen gesteigerten Freiheitssinn unter den Besseren und Stolzeren in der 
Nation zur Folge, einen Sinn, der, gleichmäßig wie die Willkürherrschaft, 
aus dem kirchlichen Hader — der jenem, wie dieser den heiligen Antrieb oder
	        
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