Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

und wegen des verweigerten Widerrufes Vorstellungen machte. Als ihm 
aber der Kardinal keine Antwort ertheilte, floh er heimlich aus Augsburg 
und ließ sowohl ein Entschuldigungsschreiben an den Kardinal, als auch 
eine Appellation an den Papst zurück, „der erst besser von der Sache 
unterrichtet werden müsse/' Diese Appellation wurde zu Augsburg öffent¬ 
lich angeschlagen. 
Unterdessen hatten Lnther's Anhänger den Ausgang der Zusammen¬ 
kunft in ängstlicher Spannung erwartet; seine rasche Rückkehr uach Wit¬ 
tenberg ward von ihnen als Triumph gefeiert. Cajetan aber beschwerte 
sich bitter über jene heimliche Entweichung und bat in einem dringenden 
Schreiben den Kurfürsten, Luther entweder nach Rom zu schicken, oder 
doch wenigstens aus seinem Lande zu verweisen. Zu dem letztem schien 
der Kurfürst anfänglich geneigt; bald aber änderte er seine Gesinnung 
und schrieb dem Kardinale: „Die Gerechtigkeit verbiete ihm, vor erwie¬ 
sener Schuld zu strafen; auch dürfe er seine neue Universität nicht ihrer 
glänzendsten Zierde berauben." 
Mitten unter diesen Gährungen — im Januar des Jahres 1519*) 
— rief der Tod den edelen Kaiser Maximilian vom Schauplatze sei¬ 
nes thatenreichen Lebens; und der Kurfürst Friedrich der Weise über¬ 
nahm verfassungsmäßig bis zur Wahl eines neuen Kaisers die Verwal¬ 
tung im nördlichen Deutschland. Das war ein sehr günstiger Umstand 
für Luther. Jetzt konnte er unter dem Schutze seines hohen Gönners das 
Werk der Reformation ungefährdet fortsetzen. Den eifrigsten Mithelfer 
und Beförderer fand er an seinem gelehrten Freunde und Amtsgenossen 
Philipp Melanchthon. 
Als der Religionsstreit in Deutschland mit jedem Tage ernster und 
bedenklicher wurde, schickte der Papst einen zweiten Legaten, den säch¬ 
sischen Edelmann Karl von Miltiz, dahin. Dieser beschied Luther 
zu einer Unterredung nach Altenburg. Im Januar 1519 kamen sie hier 
zusammen. Miltiz gewann durch sanftes, freundliches Zureden das volle 
Vertrauen Luther's, so daß dieser gern versprach, von der ganzen Sache 
zu schweigen, wenn auch seinen Gegnern gleiches Schweigen auferlegt 
würde. Ja, es machte die Güte und Freundlichkeit des Legaten einen 
so tiefen Einbruck aus ben sonst so reizbaren unb heftigen Charakter 
Luther's, baß bieser tief gerührt an ben Papst selbst ein Schreiben rich- 
*) In demselben Jahre entdeckte Cortez Mexiko.
	        
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