Aus dem Menschenleben.
188. Das Lied von der Glocke.
Vivos voeo. Mortuos plango. Fulgura frango.
F gemauert in der Erden
steht die Form, aus Lehm ge⸗
brannt.
Heute muß die Glocke werden,
frisch, Gesellen, seid zur Hand!
Von der Stirne heiß
rinnen muß der Schweiß,
soll das Werk den Meister loben;
doch der Segen kommt von oben.
Zum Werke, das wir ernst bereiten,
geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
wenn gute Reden sie begleiten,
dann fließt die Arbeit munter fort.
So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten,
was durch die schwache Kraft ent⸗
springt;
den schlechten Mann muß man ver—
der nie bedacht, was er vollbringt.
Das ist's ja, was den Menschenzieret,
und dazu ward ihm der Verstand,
achten,
daß er im innern Herzen spüret,
was er erschafft mit seiner Hand.
2. Nehmet Holz vom Fichten—
stamme,
doch recht trocken laßt es sein,
daß die eingepreßte Flamme
schlage zu dem Schwalch hinein!
Kocht des Kupfers Brei,
schnell das Zinn herbei,
daß die zähe Glockenspeise
fließe nach der rechten Weise!
Was in des Dammes tiefer Grube
die Hand mit Feuers Hilfe baut,
hoch auf des Turmes Glockenstube
da wird es von uns zeugen laut.
Noch dauern wird's in späten Tagen
und rühren vieler Menschen Ohr
und wird mit dem Betrübten klagen
und stimmen zu der Andacht Chor.
Was unten tief dem Erdensohne