fullscreen: Kaiser und König Wilhelm I. - Kaiser und König Wilhelm II. (Bd. 3)

Schritte zum Teil wieder rückwärts zu thun. Abgezwungene Bewilligungen 
wieder rückgängig zu machen, so entsprach gerade dies Verfahren des Königs 
keineswegs dem mannhaften, festen und offenen Sinn seines Thronfolgers. 
Schon im Sommer 1848 erwachte daher in gut patriotischen Kreisen Berlins 
bie Meinung, man müsse zur definitiven Beruhigung aller Wirren und Kämpfe, 
zur gesicherten Begründung einer dauerhaften Verfassungsordnung hoffen und 
harren auf den Tag, an welchem die Krone an den Prinzen von Preußen ge¬ 
langen würde; ja es heißt selbst, für die Kaiserkrone sei einmal die Absicht ans 
den Prinzen und nicht auf den König von Preußen gerichtet gewesen. Daß 
der Prinz der einmal eingeschlagenen Richtung treu bleiben, daß er sein ge¬ 
gebenes Wort unter allen Verhältnissen ganz und voll zu halten gewillt sein 
würde, das stand bei allen eingeweihten Personen fest. Allerdings, einstweilen 
hatte der Prinz den verschiedenen Wendungen und Biegungen der Regierungs¬ 
politik seines Bruders zuzusehen, sich jeder entscheidenden Mitwirkung an der 
Leitung des Staates zu enthalten. 
Auch in der deutschen Frage hatte der Prinz 1848 Gelegenheit, eine feste 
Ansicht und ein politisches Programm sich zu bilden. Ihm war im Mai schon 
Dahlmanns Verfassungsentwurf mitgeteilt worden, der bekanntlich den deutschen 
Bundesstaat mit der Spitze des preußischen Erbkaisertums und mit dem deut¬ 
schen Reichstage als Vertretung der Nation enthielt. Der Prinz begrüßte das 
Ganze des Verfassungsentwurfs als eine großartige Erscheinung; wegen seiner 
Klarheit, Gediegenheit und Kürze erkannte er ihn als meisterhaft ein, feine 
Grundsätze pries er als die notwendigen, die zur Einheit Deutschlands führen 
würden; er meinte, die Annahme dieser Grundsätze in Preußen wäre unerlä߬ 
lich; und wenn ihm anfangs die Idee des preußischen Erbkaisertums int Hin¬ 
blick auf Österreich und Bayern überraschend und befremdend erschienen, so ergab 
er sich dann doch vollkommen den Motiven, welche Dahlmann für das Erb- 
kaisertnm geltend gemacht; im einzelnen Bestimmungen erhob er eingehende 
Kritik; seine Bemerkungen bezeugen seinen praktischen, verständigen, stets die 
Wirklichkeit der faktischen Verhältnisse beachtenden Sinn; sie sind ganz anders 
geartet als die phantastischen Einwendungen und Gegenvorstellungen, welche da¬ 
mals Friedrich Wilhelm IV. zu Papier brachte — der gewaltige Gegensatz in 
den Charakteren beider Brüder tritt unverhüllt in diesen Schriftstücken zu Tage. 
„Ist der Prinz wirklich ein Absolutist oder ein Reaktionär?" durste Bunsen 
ausrufen, als er die prinzliche Kritik Dahlmann selbst zuschickte. 
Während der Jahre 1848 und 1849 hatte der Prinz, so oft er konnte, 
aus den königlichen Bruder in dem Sinne zu wirken gesucht, daß der preußi¬ 
schen Partei im Frankfurter Parlamente Preußen die helfende Hand bieten 
möchte; an seiner Sympathie und seiner Unterstützung hatte es nicht gefehlt, 
lind wenn man innerhalb der bundesstaatlichen oder Erbkaiferpartei in ymnf- 
furt die Hoffnung niemals ganz fahren ließ, schließlich den König geneigter 
stimmen und für die Annahme der deutschen Kaiserkrone gewinnen zu können.
	        
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