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Wolf verzog das Gesicht gewaltig; doch ließ er sich nicht schrecken
und ging vorwärts. Da gab ihm der Jäger die zweite Ladung.
Der Wolf verbiß den Schmerz und rückte dem Jäger zu Leibe. Da
zog dieser seinen blanken Hirschfänger und gab ihm links und rechts
äin paar Hiebe, daß er über und über blutend und heulend zu
dem Fuchse zurücklief.
„Nuͤn, Bruder Wolf,“ sprach der Fuchs, „wie bist du mit
dem Menschen fertiggeworden?“ „Ach,“ antwortete der Wolf, „so
habe ich mir die Stärke des Menschen nicht vorgestellt. Erst nahm
einen Stock von der Schulter und blies hinein; da flog mir
etwas ins Gesicht, das kitzelte mich ganz entsetzlich. Danach pustete
er noch einmal in den Stock; da flog mir's um die Nase wie Blitz
und Hagelwetter. Und wie ich ganz nahe war, da zog er eine
blanke Rippe aus dem Leibe; damit hat er so auf mich losgeschla—
gen, daß ich beinahe tot liegengeblieben wäre.“ — „Siehst du,“
sprach der Fuchs, „was du für ein Prahlhans bist?“
86. Der Fuchs und die Katzoe.
Von den Brüdern Grimm.
E⸗ trug sich zu, daß die Katze in einem Waldẽ dem Herrn
Fuchs begegnete, und weil sie dachte, er sei gescheit
und woblerfahren und gelte viel in der Welt, so sprach
gie ihm freundlich zu: „Guten Tag, lieber Herr Fuchs! Wie
geht's, wie steht's? Mie schlagt Ihr Euch durch in dieser
deuern Zeit?“ Der Fuchs, alles Hochmuts voll, betrachtete
die Katze vom Kopf bis zu den Füßen und wuhte lange
nicht, ob er eine Antwort geben sollte. Endlich sprach er:
„O du armseliger Bartputzer, du buntscheckiger Narr, du
Hungerleider und Mãusejäger, was kKommt dir in den Sinn?
Du unterstehst dich zu fragen, wie mir's gehe? Was hast
du gelernt? Mie viele Künste verstehst du?“ — „leh ver-
gtehe nur eine einzige“, antwortete bescheiden die Ratze.
„Was für eine Kunst ist das?“ fragte der Fuchs. „Wenn die
Aunde hinter mir her sind, so kann ich auf einen Baum
springen und mich retten.“ „Isst das alles?“ sagte der Fuchs.
„Ich bin Herr über hundert Künste und habe überdies noch
cinen Sack voll Lisf. Du jammerst mich. Komm mit mir,
ich will dich lehren, wie man den Hunden entgeht.“
Unterdes kam ein Jäger mit vier Hunden daher. Die
Katze sprang behend auf einen Baum und setzte sich in
den Gipfel. wo äste und Laubwerk sie völlig verbargen.