mit großer Sorgfalt auf. Sie baten nämlich in theurer Zeit ihren Grafen,
er möchte ihnen den Lohn erhöhen. Sein Oberaufseher meinte, es sei nicht
nöthig, die Arbeit der Leute sei hinlänglich gelohnt. Da schlägt ihm der
Graf vor, sie wollen beide einmal selbst prüfen, wie schwer die Arbeit sei.
So spannte er sich selbst sammt seinem Oberaufseher in einen beladenen Karren,
und jeder fuhr den seinen hin bis an die bestimmte Stätte. Als sie da waren,
meinten beide, es sei doch eine recht saure Arbeit, und es könne wohl den
Leuten ein Mehreres an Lohn gegeben werden. So geschah es auch. —
Lange ruht der Graf in der Erde,; aber so oft der Fremdling an den Ort
kommt, zeigen ihm die Arbeiter den einen Karren und sagen ihm: ‚Den hat
unser seliger Herr Graf gezogen!“ Noch heute erscheint ihnen diese Theilnahme
als ein Licht in den Mühen ihres Lebens.
231. Ein gutes Recept.
Gebel.)
In Wien der Kaiser Joseph war ein weiser und wohlthätiger Monarch,
wie jedermann weiß, aber nicht alle Leute wissen, wie er einmal der Doctor
gewesen ist und eine arme Frau kuriert hat. Eine arme kranke Frau sagte zu
ihrem Büblein: ‚Kind, hol mir einen Doctor, sonst kann ich's nimmer aus—
halten vor Schmerzen.“ Das Büblein lief zum ersten Doctor und zum zwei—
ten; aber keiner wollte kommen, denn in Wien kostet ein Gang zu einem
Patienten einen Gulden, und der arme Knabe hatte nichts als Thränen, die
wohl im Himmel für gute Münze gelten, aber nicht bei allen Leuten auf der
Erde. Als er aber zum dritten Doctor auf dem Weg war, oder heim, fuhr
langsam der Kaiser in einer offenen Kutsche an ihm vorbei. Der Knabe hielt
ihn wohl für einen reichen Herrn, ob er gleich nicht wußte, daß es der Kaiser
sei, und dachte: Ich will's versuchen. „Gnädiger Herr,“ sagte er, „wolltet Ihr
mir nicht einen Gulden schenken, seid so barmherzig!“ Der Kaiser dachte:
„Der faßt's kurz und denkt, wenn ich den Gulden auf einmal bekomme, so
brauch' ich nicht sechzigmal um den Kreuzer zu betteln. Thut's ein Käsperlein
oder zwei Zwanziger nicht auch?“ fragt ihn der Kaiser. Das Büblein sagte:
„Nein,“ und offenbarte ihm, wozu er des Geldes benöthigt sei. Also gab ihm
der Kaiser den Gulden und ließ sich genau von ihm beschreiben, wie seine Mutter
heiße, und wo sie wohne; und während das Büblein zum dritten Doctor springt
und die kranke Frau betet daheim, der liebe Gott wolle sie doch nicht ver—
lassen, fährt der Kaiser zu ihrer Wohnung und verhüllt sich ein wenig in
seinen Mantel, also daß man ihn nicht recht erkennen konnte, wer ihn nicht
darum ansah. Als er aber zu der kranken Frau in ihr Stüblein kam, und
es sah recht leer und betrübt darin aus, meint sie, es sei der Doctor und
erzählt ihm ihren Umstand, und wie sie noch so arm dabei sei und sich nicht
pflegen könne. Der Kaiser sagte: „Ich will Euch dann jetzt ein Recept ver—
schreiben,“ und sie sagte ihm, wo des Bübleins Schreibzeug ist. Also schrieb
er das Recept und belehrte die Frau, in welche Apotheke sie es schicken müsse,
wenn das Kind heim kommt, und legt es auf den Tisch. Als er aber kaum
eine Minute fort war, kam der rechte Doctor auch. Die Frau verwunderte
sich nicht wenig, als sie hörte, es sei auch der Doctor, und entschuldigte sich,
es sei schon so einer dagewesen und hab' ihr etwas verordnet, und sie habe
nur auf ihr Büblein gewartet. Als aber der Doctor das Recept in die Hand
nahm und sehen wollte, wer bei ihr gewesen sei und was für einen Trank
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