Full text: [Theil 1 = Mittelstufe, [Schülerband]] (Theil 1 = Mittelstufe, [Schülerband])

98. Von dem Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt. 
Rückert.) 
Es ist ein Bäumlein gestanden im Wald! Da kam ein großer Wirbelwind 
in gutem und schlechtem Wetter mit einem argen Wetter, 
das hat von unten bis oben der fährt durch alle Bäume geschwind 
nur Nadeln gehabt statt Blätter; und kommt an die glasenen Blätter. 
die Nadeln die haben gestochen, Da lagen die Blätter von Glase 
das Bäumlein das hat gesprochen: zerbrochen in dem Grase. 
Alle meine Kameraden Das Bäumlein spricht mit Trauern: 
haben schöne Blätter an, Mein Glas liegt in dem Staub, 
und ich habe nur Nadeln die andern Bäume dauern 
niemand rührt mich an; mit ihrem grünen Laub; 
dürft ich wünschen, wie ich wollt, wenn ich mir noch was wünschen soll, 
wünscht ich mir Blätter von lauter Gold. wünsch ich mir grüne Blätter wohl. 
Wie's Nachtist, schläft dasBäumlein ein. Da schlief das Bäumlein wieder ein, 
und früh ist's aufgewacht; und wieder früh ist's aufgewacht; 
da hatt' es goldene Blätter fein, da hatt es grüne Blätter fein; 
das war eine Pracht! das Bäumlein lacht 
Das Bäumlein spricht: Nun bin ich stolz, und spricht: Nun hab ich doch Blätter auch, 
goldne Blätter hat kein Baum im Holz. daß ich mich nicht zu schämen brauch. 
Aber wie es Abend ward, Da kommt mit vollem Euter 
ging der Jude durch den Wald, die alte Geiß gesprungen; 
mit großem Sack und großem Bart; sie sucht sich Gras und Kräuter 
der sieht die goldnen Blätter bald; für ihre Jungen; 
er steckt sie ein, geht eilends fort sie sieht das Laub und fragt nicht viel, 
und läßt das leere Bäumlein dort. sie frißt es ab mit Stumpf und Stiel. 
Das Bäumlein spricht mit Grämen: Da war das Bäumlein wieder leer; 
Die goldnen Blättlein dauern mich; es sprach nun zu sich selber: 
ich muß vor den andern mich schämen, Ich begehre nun keiner Blätter mehr, 
sie tragen so schönes Laub an sich; weder grüner, noch rother, noch gelber! 
dürft ich mir wünschen noch etwas, Hätt' ich nur meine Nadeln, 
so wünscht ich mir Blätter von hellem Glas. ich wollte sie nicht tadeln. 
Da schlief das Bäumlein wieder ein, Und traurig schlief das Bäumlein ein, 
und früh ists wieder aufgewacht; und traurig ist es aufgewacht; 
da hatt' es glasene Blätter fein, da besieht es sich im Sonnenschein 
das war eine Pracht! und lacht, und lacht! 
Das Bäumlein spricht: Nun bin ich froh, Alle Bäume lachen's aus, 
kein Baum im Walde glitzert so. dasBäumlein macht sich aber nichtsdraus. 
Warum hat's Bäumlein denn gelacht, 
und warum denn seine Kameraden? 
Es hat bekommen in einer Nacht 
wieder alle seine Nadeln, 
daß jedermann es sehen kann; 
geh naus, sieh's selbst, doch rühr's nicht an. 
Warum denn nicht? 
Weils sticht. 
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