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die Kleinen vor wilden Thieren und vor dem tödtlichen Froste, und, eng an
einander gedrängt, schliefen sie zuletzt ein.
Ihre Elteru schliefen zu Hause auch ruhig, denn sie meinten, die Kinder
wären bei der Pathe wohl aufgehoben. Als sie aber am andern Morgen
nen Boten ausschickten, der die Mädchen holen sollte, und dieser sie nicht
fand, da ging sogleich jedes, das laufen konnte, mit Schaufeln und Schippen
hinaus in den Schnee, um die Kinder zu suchen. Man kam bei diesem Suchen
auch an den Hohlweg, und dort sah man das Nothzeichen der Kleinen, die
beiden zusammengesteckten Spinnrocken mit dem rothen Tüchlein, das gerade
noch ein wenig aus dem Schnee herausstand. Da konnte man sich nun
denken, daß die Mädchen auch nicht weit davon verborgen sein müßten; des—
halb rief und schrie man sehr laut. Und die Kinder drinnen in ihrer kalten
Kammer hörten das Rufen, sie antworteten darauf und versuchten zugleich,
mit ihren Händen sich herauszuarbeiten. Dies aber wäre ihnen wohl un—
möglich gewesen, wenn nicht die Männer außen, die den Laut von innen
bernommen halten, mit Schaufeln den großen Schneehaufen, der um die
Mädchen her lag, hinweggearbeitet hätten. Deunn der ganze Hohlweg war in
der Nacht zugeschneit, und es war nur gut, daß die kleinen Tannenbäumchen
das schwere Dach von Schnee noch getragen hatten, sonst wären die Kinder
erstickt So aber kamen sie ganz wohlbehalten heraus ins Freie, keines ihrer
Glieder war vom Frost beschädigt, denn der Schnee hatte sie gegen den scharfen
Wind zugedeckt, und sie hatten sich eines am andern erwärmt.
Die Eltern aber und alle Leute im Dorfe freuten sich gar herzlich über
die Rettung und Bewahrung der guten Kinder und dankten Gott inniglich
dafür.
116. Die sonderbare Mauer.
(Caspari.)
In einem Dorf war zur Winterszeit der Feind angesagt worden. Der
hatte überall grausam gewirthschaftet und nahte in großen Haufen, und die
Leute im Dorfe hatten selber nicht viel mehr, als das nackte Leben und ihre
leeren Häuser. Drum rannten sie rathlos hin und her mit Jammern und
Klagen, wußten nicht, was anfangen, und hielten sich alle für verloren. Grade
im ersten Hause des Dorfes wohnte eine alte Großmutter mit ihrem jungen
Enkel, die dachte, als sie die Hiobspost vernahm: „In Gottes Namen! Ich
will beten,“ nahm ihr Gesangbuch, legte die Hände zusammen, betete ihr
Lied, und drin kamen die Worte vor:
Eine Mauer um uns bau,
daß dem Feinde davor grau.
„Ach, Großmutter,“ sagte der Enkel, „es wäre wohl gut, wenn unser Herr—
gott eine Mauer um uns bauen wollte, wir hätten's am allernöthigsten, denn
in unser Haus werden sie am ersten fallen, die hungrigen Wölfe, aber das ist
doch nichto geredet!“ — „Ei wohl,“ sagte die Alte, „er kaun alles, er wird's
wohl können!“ Draußen fing's an still, aber heftig zu schneien, der Nord—
wind blies dazwischen, und endlich zogen die Feinde heran. Bald hörte man
ihr Geschrei durchs ganze Dorf, es wurde an die Läden geklopft, geflucht
und um Hilfe gerufen, und eine ganze Stunde lang hörte man immer neue
Scharen ins Vorf reiten. Vor dem Hause der Großmutter aber blieb alles
still — die Feinde ritten wohl lärmend vorbei, aber ans Haus rührte keiner;