122. Das Märchen vbmn Mann im Monde.
GBechstein.
Vor alten Zeiten ging einmal ein Mann am lieben Sonntagmorgen
in den Wald, haute sich Holz ab, eine großmächtige Welle, band sie, steckte
einen Staffelstock hinein, hockte die Welle auf und trug sie nach Hause zu.
Da begegnete ihm unterwegs ein hübscher Mann in Sonntagskleidern, der
wollte wohl in die Kirche gehen, blieb stehen, redete den Wellenträger an
und sagte: „Weißt du nicht, daß auf Erden Sonntag ist, an welchem Tage
der liebe Gott ruhte, als er die Welt und alle Thiere und Menschen ge—
schaffen?“ — Der Fragende aber war der liebe Gott selbst. Jener Holz—
hauer jedoch war ganz verstockt und antwortete: „Sonntag auf Erden oder
Montag im Himmel, was geht das mich an, was geht das dich an?“
„So sollst du deine Reisigwelle tragen ewiglich!“ sprach der liebe Gott,
„und weil der Sonntag auf Erden dir so gar unwerth ist, so sollst du
fürder ewigen Montag haben und im Mond stehen, ein Warnungsbild für
die, welche den Sonntag mit Arbeit schänden!“
Von der Zeit an steht im Monde immer noch der Mann mit dem
Holzbündel, und wird auch wohl da stehen bleiben bis in alle Ewigkeit.
123. Der Segen des Sonntags.
(Caspari.)
Es sind einmal zween Schuster gewesen, von denen hatte der eine ein
Weib und viele Kinder, der andere aber nur ein Weib und kein Kind. Der
nun die vielen Kinder gehabt, war fromm, ist gerne zur Kirche gegangen
und hat die Predigt fleißig gehört, alsdann hat er frisch auf sein Handwerk
gearbeitet, und ist ihm glücklich gegangen in seiner Nahrung, also daß er
reich geworden. Der andre hingegen, welcher keine Kinder gehabt, ist stets
über der Arbeit gelegen und hat sich keine Ruhe und keine gute Stunde ge—
gönnt, also daß er auch Sonntage und Festtage und heilige Abende, auch
des Nachts nicht gefeiert, und doch hat es nirgends mit ihm vorwärts gehen
wollen, sondern ist zu nichts gekommen als lauter Schulden. Da geht er
einmal zu dem reichen Meister und fragte: „Bruder, mit Verlaub, wie geht
das zu? Du hast so viele Kinder und bist so reich und plagst dich lange
nicht, wie ich, und ich hingegen habe keine Kinder, laß mir's Tag und Nacht
sauer werden und komme doch zu nichts?“ Der fromme Schuster sagt:
„Morgen frühe gehe mit mir, so will ich dir weisen, wo ich meinen Reich—
hum her habe.“ Da er nun früh morgens kam, führte er ihn mit sich in
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