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174. Der Roggen.
Der Roggen wird im d gesäet. Die Körnlein
werden in dem feuchten Boden weich und schwellen auf; kleine
Wurzeln wachsen nach unten, zarte Gräserchen sprießen aus der
Erde hervor.
Bald nachher fängt es an zu frieren, und der Roggen
n nicht mehr wachsen. Nun bedeckt ihn der Schnee wie eine
Decke.
Wenn aber die warmen Frühlingstage kommen, dann
wächtt er wieder. Er schießt in Halme. Die Halme sind hohl,
haben aber in regelmäßigen Abständen Knoten; durch diese wer—
den die Halme so fest, daß der Wind sie nicht leicht knicken
kann. Am obern Raude jedes Knotens entspringt ein langes,
schmales Blatt, das anfangs den Halm umschließt, weiter oben
aber sich von demselben trennt und sich abwärts neigt.
Oben auf jedem Halme bildet sich im Verborgenen eine
ühre, die endlich aus ihrer grünen Hülle hervortritt Nach
einiger Zeit sieht man an allen Ähren kleine, grünliche Fasern
hangen; dann blüht der Roggen.
Bald fallen die Blüten ab, und nun bilden sich in den
Ähren die Fruchtkörner. Anfangs sind diese Körner ganz klein,
und es ist nur ein milchartiger Saft darin; nach und nach
werden sie größer, fester und trockner. Die Ahren werden immer
schwerer und neigen sich zur Erde.
Almählich verliert der Roggen seine grüne Farbe; er wird
blaß und gelb, steht noch eine Weile und ist dann reif zur Ernte.
175. Das Lied vom Samenkorn.
(Friedrich Adolf Krummacher.)
Der Sämann streut aus voller Hand den Samen auf das
weiche Land, und wundersam, was er gesät, das Körnlein wie—
der aufersteht.
Die Erde nimmt es in den Schoß, da wird es seiner
Windeln los, ein zartes Keimlein kommt hervor und hebt sein
rötlich Haupt empor.
Es steht und frieret, nackt und klein, und fleht um Tau
und Sonnenschein; die Sonne schaut von hoher Bahn der Erde
Kindlein freundlich an.
Bald aber dräuet Frost und Sturm, und scheu verbirgt sich
Mensch und Wurm; das Körnlein kann ihm nicht e es
muß in Wind und Wetter stehn.
Doch schadet ihm kein Leid noch Weh, der Himmel deckt