Full text: 1 = 2. Schuljahr, [Schülerband] (1 = 2. Schuljahr, [Schülerband])

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Doch mit dem Winter kam die Not, 
nun schreien sie von Hunger matt 
durch Dorf und Stadt 
und betteln um ein Bröslein Brot. J. Sturm. 
186. Das Rotlehlchen. 
Ein Rotkehlchen kam in der Strenge des Winters an das Fenster 
eines frommen Landmannes, als ob es gern hinein möchte. Da 
öffnete der Landmann sein Fenster und nahm das zutrauliche Tier— 
chen freundlich in seine Wohnung. Nun pickte es die Brosamen und 
Krümchen auf, die von seinem Tische fielen. Auch hielten die Kinder 
des Landmannes das Vöglein lieb und wert. Aber als der Frühling 
wieder in das Land kam und die Gebüsche sich belaubten, da entflog 
der kleine Gast in das nahe Wäldchen, baute sein Nest und sang sein 
fröhliches Liedchen. 
Doch siehe, als der Winter wiederkehrte, da kam das Rotkehlchen 
abermals in die Wohnung des Landmannes und hatte sein Weibchen 
mitgebracht. Der Landmann aber und seine Kinder freuten sich sehr, 
als sie die beiden Tierchen sahen, wie sie aus den klaren Auglein 
zutraulich umherschauten. — Und die Kinder sagten: „Die Vögelchen 
sehen uns an, als ob sie etwas sagen wollten!“ 
Da antwortete der Vater: „Wenn sie reden könnten, so würden 
sie sagen: „Freundliches Zutrauen erweckt Zutrauen, und 
Liebe erzeugt Gegenliebe.“ Nach Krummacher. 
187. Der Grimm des Wiunters. 
Der Winter hatte sich einmal vorgenommen, alle Menschen und 
alle Tiere auf der Erde auszurotten. Deshalb kam er mit einer so 
grimmigen Külte, daß alle Flüsse und alle Seen mit dickem Eise be— 
legt wurden. Das Feld war von tiefem Schnee bedeckt, und die 
Fensterscheiben waren jeden Morgen mit so dicken Eisblumen über— 
zogen, daß sie den ganzen Tag nicht auftauen konnten. Allein der 
Winter hatte sich doch ein wenig verrechnet. Zwar ging es den armen 
Vögelchen übel, weil sie wegen des hohen Schnees draußen nichts zu 
fressen fanden; allein sie kamen in die Städte und Dörfer, und es 
streute ihnen gar manches mitleidige Kind einige Körnchen und Brot— 
krümchen hin, so daß die meisten leben blieben. Auch waren schon 
vorher große Scharen von Zugvögeln in wärmere Länder gewandert,
	        
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