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der Wildnis; ein seltsames fernes Rauschen geht zuweilen durch die Natur,
die deu Odem anzuhalten scheint; geisterhaftes Wehen zieht dumpf an-
schwellend durch die Wipfel, daun erstirbt es fast völlig, bis die fenchte
Nachtluft wieder lebhafter zu wehen beginnt. Kühl umweht uns der
weiche Hauch; fröstelnd vor Erregung fucheu auch wir die Ruhe, bewacht
wie die übrigen Schläfer von dem treuen zottigen Hunde, der zusammen-
geknänelt neben der Feuerstelle liegt, zuweileu leise winselt, oder, durch
eiu auffallendes Geräusch im Nu erweckt, dumpf zu knurren beginnt.
Endlich erbleichen die Sterne, der Tag zieht in flammender Herrlichkeit
herauf. In schweren Tropfen rieselt der Tau, der an allem Blattwerk
hängt, zur Erde nieder; die Tierwelt wird rege, ein Vogel weckt den
andern, und bald ist die Lust vom Gewirr der zahllosen Stimmen erfüllt.
Aber sobald die Sonne ihre sengenden Strahlen wieder niedersendet,
verstummt der frohe Lärm, der frische Hauch verweht, die berauschenden
Düste verschwinden. Fröstelnd erwachen wir; im Zwielicht erkennen wir
die braunen Männer, die ihre mechanisch eingelernten Gebetformeln mur-
meln, das Krenz über Stirne, Mund und Brust schlagen, die seuchteu
Deckeu über die Schultern werfen und sich nun um das Feuer kauern,
das einer von ihnen sorgsam mit Hilfe seines breitrandigen Strohhutes
wieder zur Flamme entsacht. Bald sitzt die ganze Gesellschaft beim
würzigen Morgentrunke, während der riefenfchnäblige Tukan aus dem
stillen Walde seinen melodischen Klageruf herübersendet, den sich die Ein-
geborenen sehr sinnig in die Worte übersetzt haben' „Dios te de! Dios
te de!" (Gott gebe Dir!) Eben streichen auch die schönen Hokkohühner
aus dem Gezweig eiues riesigen Mahagonibaumes zum Aufsuchen ihres
Frühmahles ab. Einer der braunen Männer schürzt nun die weite Hose
auf, ergreift Gewehr und Mmutionstafche, lauscht eiu paar Augenblicke,
während er das Messer umgürtet, in die Wildnis uud eutserut sich still
zum Jagdzuge; eiu anderer schärft Äxte und Schlagmeffer, der dritte holt
frisches Wasser am Bache, der junge Weiße schürt das Fener. Immer
großartiger entfaltet sich die Herrlichkeit des Tropeumorgeus; uubefchreib-
liche Farbeupracht praugt am Himmel und funkelt nnd schimmert aus den
Myriaden von Tautropfen zurück. Eiu unbeschreibliches Wohlgefühl erfüllt
uns; wir fühlen nns stark uud frisch wie selten.
Da kracht ein Schuß uud hallt vielfach an den Bergen wieder;
der Hund macht sich von der Fessel los uud stürmt heuleud iu den Wald.
Kreischend stiebt der Hokkohühner-Schwarm empor, kreischend und schwatzend
eilen die schillernden Papageien über die Blöße, und schars spähend um-
kreist der Falke sei« Nest im hohen Gipfel. Ein zweiter Krach! Schnau-
bend und stampfend wälzt sich ein Rudel aufgescheuchter Wildschweine
durch das Dickicht. Alles im Lager lauscht gespannt; da tritt der Jäger
aus dem Walde, an der Seite ein erlegtes Waldhuhn, ans dem Rücken
ein erbeutetes Wildschwein. Freudig wird der glückliche Schütze begrüßt,
und alles macht sich an die Zerleguug des Wildes, um es möglichst vor
der rasch eintretenden Zersetzung zn schützen.