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127. Der alte und der junge Storch.
1. Zum jungen spricht der alte Storch: „Mein Sohn, jetzt
schau mich an und horch! Du sitzest nun in deinem Nest schon
sieben Wochen still und fest, jetzt mußt du dich auch tummeln
fein und lernen stehn auf einem Bein, sonst bleibst du nicht bei
mir in Gunst; auf zweien gehn ist keine Kunst. Frisch auf,
mein Sohn, und wanke nicht, und mit den Flügeln schwanke
nicht! Auch darfst du nicht so leis mehr plappern, mußt laut,
als wie dein Vater, klappern. Und geht das gut, schau deinen
Bruder, so mußt du führen auch das Ruder, daß, wenn der 10
Herbst uns mahnt zum Wandern, kannst weiter segeln mit den
andern.“
2. Jung Störchlein nahm das wohl in acht, hat alles pünktlich
nachgemacht. Es lernte stehn auf einem Bein und lustig klappern
obendrein. Und mit dem Herbst lupft' er die Flügel und flog 15
hin über Thal und Hügel, zog ohne Bündel und Reisehemd fort
in die weite, weite Fremd'. Das hat den alten Storch gefreut
und weit und breit die Storchenleut'. Friedr. Güll.
128. Das Männlein im Walde.
1. Ein Männlein steht im Walde
ganz still und stumm,
es hat von lauter Purpur
ein Mäntlein um.
Sagt, wer mag das Männlein sein,
das da steht im Wald allein
mit dem purpurroten Mäntelein?
2. Das Männlein steht im Walde
auf einem Bein
und hat auf seinem Haupte
schwarz Käpplein klein.
Sagt, wer mag das Männlein sein,
das da steht im Wald allein
mit dem kleinen, schwarzen Käppelein?
3. Das Männlein dort auf einem Bein
mit seinem roten Mäntelein
und seinem schwarzen Käppelein
kann nur die Hagebutte sein!
H. Hoffmann v. Fallersleben.
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