190 Drittes Hauptstück. Die neue Zeit.
Zweibrücken, Einspruch zu erheben und gab demselben durch seinen
1778] Einmarsch in Böhmen Nachdruck. Doch gelang es bei der all¬
seitigen Scheu vor einem allgemeinen Kriege den unblutigen
bairischen Erbfolgekrieg unter russisch-französischer Ver-
1779] mittelung durch den Frieden zu T esche n zu beendigen, der Österreich
bloß mit 38 Quadratmeilen Zuwachs absand. Nochmals nahm nach
Maria Theresias Tode Joseph II. seinen Plan dadurch auf, das;
er den Kurfürsten Karl Theodor zur Einwilligung in einen Tausch
Baierns gegen Belgien als Königreich Burgund vermochte, aber
auch diesmal vereitelte ihn Friedrich durch den mit Hannover,
Sachsen und mehreren kleineren Staaten zum Schutz der Reichs-
1785] Verfassung geschlossenen deutschen Fürstenbund; in den hohen
Erwartungen, die derselbe erregte, zeigten sich die ersten Spuren
des wiedererwachenden deutschen Nationalbewußtseins. Die gleich¬
zeitig von den rheinischen Erzbischöfen aus Grund der Emser
Punctation versuchte Errichtung einer deutschen Nationalkirche
scheiterte an dem Widerstände des Klerus.
Sobald Joseph II., bisher nur der machtlose Mitregent ferner
Mutter, selbst zur Regierung in Österreich gelangte, ging er glühend
von Begeisterung für die Beglückung seiner Unterthanen an die tiefst-
greifenden Reformen, Aufhebung der Leibeigenschaft, Entlastung des
Grund und Bodens, Abschaffung der Folter, Einführung der Rechts¬
gleichheit; das Toleranzedikt von 1781 und die Einziehung von 700
Klöstern zugunsten des Unterrichts konnte selbst Papst Pius' VI.
persönlicher Besuch nicht rückgängig machen. Allein die überstürzende
Hast seines Verfahrens, die willkürliche und despotische Mißachtung
historisch berechtigter Zustände erzeugten statt des Dankes Wider¬
willen gegen die ausgedrungenen Neuerungen, die über dte Eingriffe
in ihre Nationalverfassung erbitterten Ungarn drohten mit Aufstand,
in Belgien, wo Klerus und Nätionalpartei sich die Hand reichten,
brach er offen aus und das Land erklärte sich für unabhängig.
Der Gram über die Verkennung seiner edlen Absichten und über
das Mißgeschick der österreichischen Waffen in dem im Bunde mit
Rußland unternommenen Türkenkriege verkürzte die Tage des Kaisers,
1790—92] sein Bruder Leopold II., bisher Großherzog von Toscana,
beschwichtigte die Unzufriedenheit durch Zurücknahme der anstößigen
Reformen. ^
In Preußen rissen unter Friedrichs des Großen ritterlichem
1786-97] aber sinnlichen Neffen Friedrich Wilhelm II. und seinen
Günstlingen Bischosswerder und Wöllner unter der Hülle außer-