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Laubgängen flogen prächtig gefiederte Vögel umher und führten
Singvögel aller Art ein Konzert auf. In dem Obstgarten, der sich
daran schloß, standen die Bäume in langen Reihen so voll von
Früchten, daß die Zweige unter ihrer Last zu brechen drohten. Auch
die Gemüsegärten standen in Flor, auf den Feldern wuchs üppiges
Getreide, und auf den Wiesen weideten große Herden Vieh.
„Du kannst dies alles nun künftig genau besehen und nehmen,
was du willst; denn es ist alles unser, und du bist jetzt unser lieber
Bruder,“ sprachen die holden Mädchen mit freundlichem Lächeln.
Und Niklas ließ es sich bei ihnen wohl sein, auch das Mahl schmeckte
ihm vortrefflich; doch vergaß er nicht vorher und nachher die Hände
zu falten und andächtig zu beten. Als Niklas am folgenden Morgen
in dem kostbaren Schlafzimmer, das ihm die Mädchen angewiesen
hatten, erwachte, waren seine alten Hirtenkleider verschwunden und
schönere an ihre Stelle gelegt, die anzulegen er sich nicht lange be—
dachte. Bald kamen seine Gespielinnen, und die Zeit verstrich im
Fluge. Wochen und Monate entschwanden, ohne daß er's merkte
und nach sieben Jahren war aus dem kleinen Niklas ein großer
stattlicher Jüngling geworden, dem das blonde Haar in herrlichen
Locken auf die Schultern fiel. Seine drei Gespielinnen aber blieben
so jung, so klein, so kindlich, wie sie gewesen waren, als er sie zum
erstenmal gesehen hatte; sie schienen sich gar nicht zu verändern.
Das war ihm auffallend. Je mehr er nun darüber grübelte, desto
mehr trat ihm seine eigene Lage vor die Augen, und obwohl es ihm
nicht an Beschäftigung im Garten und mit schönen Büchern fehlte
und er herrlich und in Freuden lebte, so schien ihm doch sein Zu—
stand sonderbar. Er dachte an sein Dörfchen, seine Pflegeeltern, die
Gespielen seiner Jugend, und eine unwiderstehliche Sehnsucht setzte
sich in seinem Herzen fest. Wohl erinnerte er sich des Ausspruchs
der Mädchen: „Wenn du drei Tage bei uns verweilst, so kannst du
nie zurückkehren;“ wohl wußte er, daß er frei gewählt habe, daß
seine Schwestern ihn herzlich liebten, und suchte seinen Kummer zu
verbergen; doch wenn er allein war, konnte er sich nicht enthalten,
bitterlich zu weinen. Die Spuren seines Kummers zeigten sich
immer mehr. Seine Wangen wurden bleich, der trübe Blick deutete
den Sturm im Innern an. Bedenklich richteten seine Freundinnen
ihre Blicke auf Nikals und fragten, was ihm fehle; aber immer ver—
schwieg er, um seine Gespielinnen nicht zu betrüben, den wahren
Grund und legte sich Zwang an, heiter zu sein. Einst aber, als er
allein zu sein glaubte und in seinen wehmütigen Gefühlen laut auf—