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cdie Tauben flogen fröblich davon und dankten der Maus für ihre Be-
freiung.
Der Rabe hatte auch dieses mit angesehen und dachte bei sich:
Ein treuer Ereund ist doch ein grosses Gut! und setzte sieh deshalb
in die Nähe des Mausloches und rief die Maus, weil er Preund-
schaft mit ihr machen wollte. Als aber diess den Raben erkannte,
floh sie schnell wieder in ihr Löchlein. Aber der Rabe rief sie wieder
und sagte: „Was fliehst du miebh? Millst du nicht, weine Freundin
werden?
0 Und die Maus antwortete ibn: „Nein, das geht vimmermehr an
Denn in kurzem wvürde deine angeborne Lust nach meinem MNeische
dich unsere Ereundschaft vergessen machen, und du würdest mich wie
jede andere Maus auffressen.“
Das redete ihr aber der Rabe aus, und sie lebten beisammen ohne
th Misstrauen und waren zufrieden. Nur sebnte giebh der Rabe nach
seinem ersten Aufenthalte, denn er fürchtete sich vor den vorüber—
gehenden Jägern. Darum sagte er eines Abends zu der Maus: „Wenn
du nichts dawider hast, so wollen wir vegzieben von diesem Orte, weil
es hier nieht verborgen genug ist. Ieb vwill dich an einen viel heim
licheren Ort bringen; wo ich auch eine treue Ereundin babe, die Scbild-
kröte, bei der wir künftig vohnen wollen.“ Und die Maus war mit,
dem Vorschlage zufrieden; denn auch ihr var es unbeimlich da, weil
eine Katze oft in das Peld kam und ibhr vachstellte. Und der Rabe
falste sie mit dem Schnabel bei ihrem Schwänzlein und trug sie durch
die Luũfte und setæte sie unteèr einem Baume nieder und rief die Scbild-
kröte, seine Preundn.
Die Schildkröte kam hervyor aus lhrem Leiche und freute sieh,
dass ihr Nachbar wieder da war, und dass er noch eine Breundin
mitgebracht hatte. Schnell grub dié Maus sich ein Löchlein, undl sie
30 wolnten beisammen alle drei in Eriede und Eintracht,
Als sie eines Tages so beisammen sassen und vieles von der Welt
Lauf redeten, da kam eilends ein Hirsch gelaufen, der blieb am LTeiche
sgtehen und sah sich um. Da flob die Schildkröte in ihr Wasser und
die Maus verkroch siebh in ihr Löchlein. Aber der Rabe schwang seine
Eittiche und flog in die Höhe, zu sehen, ob der Jäger den Hirseh ver-
folge. Vr sah aber nichts, kam herunter und sprach zum Hüirsche:
„Sei ohne EFurcht, hier ist keine Gefahr. Noch kein Jäger ist in diese
Gegend des Waldes gekommen. Wenn es dür getällt, so kannst du
hier vobhnen. Um den See wächst schönes Hutter, und sein Wasser
0 ist frisch zum Prunke.“
Undl als er dies gesagt, rief er die Maus und die Schildkröte, und
sie kamen hervor und redeten dem Hirsche aueh zu, dals er bleiben
sollte.
Und der Hirsch sah umber; das Gras war schön, das Wasser
friseh und der Ort sicher vor der Nachstellung. Er machte sieh also
eine Lagerstütte aus Laub und Moos und wobnte bei ihnen, und sie
hielten treue Ereundschaft miteinander. Vines Abends war der Hiütsch
nieht heimgekommen. Da war seinen FEreunden bange, es möchte ihm