217. Das Katzchen und die Stricknadeln.
1. Es war einmal eine arme Frau, die ging in den Wald, um
Holz zu lesen. Als sie mit ihrer Bürde auf dem Rückwege war,
sah sie ein krankes Rätzchen hinter einem Zaune liegen, das kläg-
lich schrie. Die arme Frau nahm es mitleidig in ihre Schürze und
trug es nach Hause. Auf dem Wege kamen ihre beiden Kinder
ihr entgegen, und wie sie sahen, daß die Mutter etwas trug, fragten
sie: „Mutter, was trägst du?“ und wollten gleich das Rätzchen
haben. Aber die mitleidige Erau gab den Rindern das Kätzchen
nicht, aus Sorge, sie möchten es quälen, sondern sie legte es zu
Hause auf alte, weiche Kleider und gab ihm Nilch zu trinken
Als das Kätzchen sich gelabt hatte und wieder gesund war, war es
mit einem Male verschwunden.
2. Nach einiger Zeit ging die arme Frau wieder in den Wald,
und als sie mit ihrer Bürdeé auf dem Rückwege wieder an der
gtelle war, wo das kranke RKätzchen gelegen hatte, da stand eine
ganz vornehme Dame dort, winkte der armen Frau und warf ihr
fünf Stricknadeln in die Schürze. Die Frau wubte nicht recht,
was sie denken sollte, und es dünkte sie diese absonderliche Gabe
gar gering. Doch sie nahm die Stricknadeln, zeigte sie ihren Kindern
und legte sie des Abends auf den Tisch. Aber als die Erau des
andern Morgens ihr Lager verlieb, siehe, da lag ein Paar neu ge—
strickter Strümpfe auf dem Tische. Das wunderte die arme Frau
über alle Maben; am nächsten Abend legte sie die Nadeln wieder
auf den Tisch, und am NMorgen darauf lagen neue Strümpfe da.
Jetzt merkte sie, dab zum Lohn ihres NMitleids mit dem kranken
Kãtachen ihr diese fleibigen Nadeln beschert waren, und lieb die-
selben nun jede Nacht stricken, bis sio und die Kinder Strümpfe
genug hatten. Dann verkaufte sie auch Strümpfe und hatte genug
bis an ihr seliges Ende. ndwig Oecstein.
218. Das Hirtenbüblein.
Es war einmal ein Hirtenbübchen, das war wegen seiner weisen Ant—
worten, die es auf alle Fragen gab, weit und breit berühmt. Der König
des Landes hörte auch davon, glaubte es nicht und ließ das Bübchen
kommen. Da sprach er zu ihm: „Kannst du mir auf drei Fragen, die ich dir
vorlegen will, Antwort geben, so will ich dich ansehen wie mein eigen Kind,