machen auch die Armen satt; man kann sie den ganzen Winter im Keller
aufbewahren, oder kann sie im Ofen dörren, oder kann Wein davon
bereiten. Ich bin der nützlichste Baum.“ „Das bildest Du Dir ein“,
sagte die Tanne. „Mit meinem Holz heizt man die Ofen und baut die
Haͤuser; mich schneidet man zu Brettern und macht Tische, Stühle,
Schränke, ja sogar Kähne und Schiffe daraus; dazu bin ich im Winter
nicht so kahl wie ihr; ich bin das ganze Jahr hindurch grün und schön.“
„Das Nuinliche bin ich auch“, sagte die Fichte; „allein ich habe noch
einen Vorzug. Wenn es Weihnachten wird, dann kommt das Christ—
kindchen, seht mich in ein schönes Gärtchen und hängt goldene Nüsse
und Äpfel, Mandeln und Rosinen an meine Zweige. Und über mich
freuen sich die Kinder am allermeisten. Ist das nicht wahr?“
Curlmann.
183. Vom Räumlein, das andexe Vlälker hak
gewolltk.
Es ist ein Bäumlein gestanden im Wald in gutem und schlechtem
Wetter, das hat von unten bis oben nur Nadeln gehabt statt Blätter;
die Nadeln, die haben gestochen, das Bäumlein, das hat gesprochen:
„Alle meine Kameraden haben schöne Blütter an, und ich habe nur
Nadeln, niemand rührt mich an; dürft' ich mir wünschen, wie ich
wollt', wünscht' ich mir Blätter von lauter Gold.“
Wie's Nacht ist, schlüft das Bäumlein ein, und früh ist's aufge—
wacht, da hat es goldne Blätter fein, das war eine Pracht. Das
Bãumlein spricht: „Nun bin ich stolz, goldne Blätter hat kein Baum
im Holz.“ Aber wie es Abend ward, ging der Jude durch den Wald
mit großem Sack und großem Bart, der sieht die goldnen Blätter bald;
er stockt sie ein, geht eilends fort und läßt das leere Bäumlein dort.
Das Bäumlein spricht mit Grämen: „Die goldnen Blättlein dauern
mich; ich muß vor den andern mich schämen, sie tragen so schönes Laub
an sich; dürft ich mir wünschen noch etwas, so wünscht' ich mir Blätter
von hellem Glas.“ Da schlief das Bäumlein wieder ein, und früh ist's
wieder aufgewacht, da hat es glasene Blätter fein, das war eine Pracht.
Das Baͤumlein spricht: „Nun bin ich froh, kein Baum im Walde
glitzert so.“ Da kam ein großer Wirbelwind mit einem argen Wetter,
der fährt durch alle Bäume geschwind und kommt an die glasenen
Blätter; da lagen die Blätter von Glase zerbrochen in dem Grase.
Daͤs Bäumlein spricht mit Trauern: „Mein Glas liegt in dem
Staub, die andern Baume dauern mit ihrem grünen Laub; wenn ich
mir noch was wünschen soll, wünsch' ich mir grüne Blätter wohl.“ Da
schlief das Bäumlein wieder ein, und wieder früh ist's aufgewacht; da
hau es grüne Blatter fein, das Bäumlein lacht und spricht: „Nun hab
ich doch Blaͤtter auch, daß ich mich nicht zu schümen brauch.“ Da kommt
mit vollem Euter die alte Geiß gesprungen; sie sucht sich Gras und