wirtschaftliches Leben
Je höher die Kultur, desto ehrenvoller die Arbeit.
Wilhelm Noscher.
59. Die Kultur des Dorfes.
Als eine politische Erscheinung ist das Dorf in unseren Gesichtskreis
getreten, von der aus sich die verschiedenen Abwandlungen stammesartlicher
und geographischer Art herausgebildet hatten. Eine schöne Welt ist es,
die wir rückschauend noch einmal vor unserem Auge vorüberziehen lassen,
die aber mit allen Wandlungen unserer Kultur nicht gleichen Schritt ge¬
halten hat, sondern im vergleich zur Stadt oft erheblich zurückgeblieben
ist. Das ist nicht zufällig, hat die Stadt vor dem Dorf das Bewegliche
voraus, das sie befähigt, viele Neuerungen leicht aufzunehmen, so stießen
diese in dem Dorfe auf den widerstand zäher Überlieferungen, die nur
langsam zu überwinden waren. So bildete sich ein Gegensatz heraus,
welcher namentlich feit dem Ende des 18. Jahrhunderts die Stadt von
der großen allgemeinen Entwicklung abdrängte, während das Dorf trotz
aller Beeinflussungen einer neuen Zeit sich wesentlich treu bleiben mußte,
weil seine wirtschaftliche Grundlage fast unverändert blieb. Die Stadt
vertauschte den uralten, stolzen Begriff des eigenen Hauses mit dem des
beweglichen Eigentums; das Dorf aber hielt ihn fest und bewahrte
damit eine Grundlage, auf der alle Kulturregungen, alle Eigenart in
dem Lharakter des Dorfbewohners sich in ihren Besonderheiten entfalten
konnten. Die Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen wohn- und
Siedelungssorm einerseits und dem Eharakter des Menschen andererseits,
d. h. zwischen Bodenbeschaffenheit, Landschaftsbild und dem Bewohner,
sind so innige, daß sie die meisten Kulturerscheinungen beeinflussen.