Full text: [Teil 2 = (Mittelstufe), [Schülerband]] (Teil 2 = (Mittelstufe), [Schülerband])

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daß der Kampf nicht länger zu vermeiden war. Nun kam eine Zeit schwerer 
Prüfung über Preußen. In der Doppelschlacht von Jena und Auerstädt 
wurden seine Heere geschlagen. Napoleon zog in Berlin ein und rückte bald 
bis an die Ostgrenzen des Reiches. Da mußte Friedrich Wilhelm den traurigen 
Frieden von Tilsit eingehen, in welchem er die Hälfte aller seiner Länder 
aͤbtrat und eine fast unerschwingliche Kriegssteuer zu zahlen sich verpflichtete. 
Napoleons Faust lag am schwersten auf dem unglücklichen Preußen. 
2. Der Tilsiter Friede bezeichnet den Zeitpunkt der tiefsten Erniedrigung 
Preußens. Aber von jenem tiefen Falle ging Preußens herrliche Wiedererhebung 
aus. Das Unglück und die Schmach jener Tage wurde als gemeinsame Schuld 
empfunden, und infolge der herben Prüfung und Züchtigung machte die gott⸗ 
vergessene, leichtfertige Denkungsweise der vorhergegangenen Zeiten wieder einer 
würdigeren Gesinnung, echter Frömmigkeit und wahrer Mannestreue Raum. So 
ist das Unglück von Jena und Tilsit unter Gottes Beistand ein Segen für 
Preußen geworden. 
Die Lage des Staates war zunächst sehr schlimm; nicht nur war derselbe 
um die Hälfte verkleinert, sondern alle Lebenskraft schien gelähmt durch die harten 
Bedingungen, welche der harte überwinder gestellt hatte. Noch lastete ein feind⸗ 
liches Heer auf dem unglücklichen Lande, bis Preußen die ungeheuren Kriegskosten 
abgezahlt hätte. Die französischen Beamten zeigten bei allen Verhandlungen 
über die Vollziehung des Friedens die größte Willkür und Härte. Dabei waren 
die furchtbaren Folgen des verheerenden Krieges noch überall sichtdar. Es war 
keine leichte Aufgabe, unter so traurigen Verhältnissen den Grund zu einer 
besseren Zukunft zu legen. Friedrich Wilhelm aber ließ den Mut nicht sinken; 
im Vertrauen auf Gott unternahm er es, gerade damals eine schönere Wieder⸗ 
geburt des Staates vorzubereiten. In solcher Absicht richtete er seinen Blick auf 
äinen ausgezeichneten Staatsmann, den Freiherrn von Stein, der in feuriger 
Begeisterung für das Vaterland und in glühendem Haß gegen die Fremdherrschaft 
sich die Aufgabe stellte, Preußen neu zu erheben. Vor allem mußte, um die 
Raͤumung des Landes von dem fremden Heere zu erlangen, erst die Kriegssteuer 
aufgebracht werden. Dies geschah teils durch Beschränkung in den Ausgaben, 
worin der König mit dem Beispiel persönlicher Opfer voranging, teils durch 
geschickte Vermehrung der gewöhnlichen Einnahmen. Am Ende des Jahres 1808 
war die Kriegslast abgetragen, und unter dem Jubel der Bevölkerung konnten 
wieder preußische Truppen in die Hauptstadt des Landes einziehen. 
3. Zunächst galt es, den Bauernstand wieder zu heben. Derselbe war 
größtenteils noch unfrei; da er nicht selbst Besitzer von Grund und Boden war, 
so fehlte ihm der kräftigste Anreiz, den Ackerbau zu verbessern. Um nun einen 
freien Bauernstand zu schaffen, erließ der König im Oktober 1807 einen Befehl 
zur Aufhebung der Erbunterthänigkeit. 
Die Staͤdte bedurften gleichfalls einer gründlichen Änderung ihrer Ver— 
hältnisse. Die Selbständigkeit der städtischen Verwaltung war immer mehr ge— 
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