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2. Wie Gudrun entführt ward. 
Diese Kunde entflammte die beiden verschmähten Könige zum heftigsten 
Zorn. Siegfried von Moorland siel verwüstend in Herwigs Reich ein, 
und Hettel mußte mit allen seinen Mannen diesem zur Hilfe eilen. Aber 
5 während so die Friesenburg von Verteidigern fast ganz entblößt war, 
benutzte der Normanne Hartmut schlau die günstige Gelegenheit. Seine 
böse Mutter Gerlinde, die über die stolze Zurückweisung ihres Sohnes 
grollte, hatte täglich ihn und seinen Vater Ludwig zur Rache getrieben, 
jetzt erschien - er plötzlich mit einer mächtigen Flotte vor Hildens wehr- 
10 losem Schlosse, um die schöne Gudrun mit Gewalt zu entführen. Zuerst 
zwar suchte er durch Schmeichelei und Drohungen die Jungfrau zu 
bewegen, daß sie ihm in die Normandie folge; als aber Gudrun immer¬ 
fort bei dem Worte blieb: „Durch feste Eide gehöre ich als Braut dem 
König Herwig," da stürmte Hartmut die Burg, verbrannte sie und ent- 
15 führte Gudrun mit zweiundsechzig Frauen. 
So erlebte denn die stolze, schöne Hilde ein ähnliches Schicksal, wie 
sie einst es ihren Eltern bereitet hatte. Sie sandte Boten an ihren 
Gemahl in Herwigs Land, um ihm das schwere Unglück zu melden und 
ihn zur Verfolgung der Räuber aufzufordern. Sogleich schlossen Hettel 
20 und Herwig Frieden mit dem bedrängten Siegfried, und alle drei Könige 
vereinigten sich, zu Schiffe den flüchtigen Normannen nachzusetzen. Aber 
in ihrer Hast versäumten sie, den Toten die letzte Ehre zu erweisen; statt 
die Gefallenen fromm zu begraben, warfen sie diese rasch ins Meer, um 
sich ihrer nur zu entledigen, und begaben sich dann auf die Verfolgung. 
25 Diese Übereilung sollte ihnen teuer zu stehen kommen. 
3. Wie sie auf dem Wülpcnsand kämpften. 
Die Normannen waren auf ihrer Rückfahrt an eine wüste und einsame 
Insel der Nordsee, den Wülpensand, gekommen, und da es ihnen nicht 
einfiel, daß sie von den Friesen eingeholt werden könnten, so beschlossen 
30 sie, hier sich einige Tage von den Anstrengungen der Seereise auszuruhen. 
Aber plötzlich erschienen die sie verfolgenden Könige. Ein grimmiger 
Kampf erhob sich um die Landung. Die Friesen sprangen bis an die 
Achsel ins Wasser, um das Ufer zu gewinnen; aber vom Lande her flogen 
die Pfeile so dicht, wie wenn Schneeflocken vom Sturme getrieben werden, 
35 und das Wasser rötete sich vom Blute der Verwundeten. Vor allen 
glänzten der kühne Wate und König Herwig durch Tapferkeit. Endlich 
erreichten sie das Ufer, indem sie die Normannen mehr und mehr zurück¬ 
drängten; aber die Nacht brach herein, ehe die Feinde überwältigt waren. 
Da schlossen die Kämpfenden Waffenstillstand, und beide Heere lagerten 
40 die Nacht hindurch nebeneinander auf dem Wülpensand. 
Aber schon mit Tagesanbruch begann der Kampf von neuem. Hin 
und her wogte der Streit, bald waren die Normannen, bald die Friesen
	        
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