Object: Allgemeine Erdkunde, Länderkunde der außereuropäischen Erdtheile ([Bd.] 1)

§. 33. Die Einheit des Menschengeschlechts. 135 
stufe emporgearbeitet hat, dies war zunächst nur durch eine Eigenschaft 
des Menschen möglich, die ihn gewaltig vom Thiere unterscheidet. Nur 
der Mensch vermag in der Art Erfahrungen zu sammeln, daß 
sie einen tieferen Einfluß auf die gefammte Gestaltung seines äußeren 
und inneren Lebens ausüben, so daß er nicht sowohl durch physische 
Kraft als durch die Kraft seines Geistes sich zum Herrn der Schöpfung 
macht. Nur durch den Zwang der Nothlage wurde er zu einer höheren 
Entwickelung seiner Fähigkeiten getrieben ; die spätern Geschlechter hatten 
längst nicht mehr mit Schwierigkeiten zu kämpfen, welche die Kraft 
der frühern erprobt hatte. Die Erfahrungen dagegen, welche das Thier 
macht, lehren es vielleicht einzelne Gefahren vermeiden, gewinnen aber 
nirgends die Kraft, dasselbe die Schranken des Instinkts durchbrechen 
zu lassen. 
Während das Thier nur sehr unvollkommene Mittel zur Dar- 
stelluug seines Innern besitzt und höchstens eine Vorstellung von dem 
Zustande seines Allgemeinbesindens zu geben vermag und darum stets, 
auch wo es das Mitglied einer Heerde oder gar eines Thierstaates 
ist, dennoch in großer Abgeschlossenheit lebt, sehen wir den Menschen 
auf allen Stufen der Civilifatiou bestrebt, den Bewegungen seines 
Innern in klarster Weise Ausdruck zu geben: der Mensch allein besitzt 
eine Sprache, d. h. er ist im Stande, einen bestimmt gegliederten 
Gedanken durch ähnlich gegliederte Lautformen wiederzugeben. Und 
indem der Mensch nicht bloß reden kann, sondern reden muß, tritt 
er — das £wor TtoXmxöv des Aristoteles — zu größeren oder kleineren 
Gesellschaften zusammen. Dieser Grundzug menschlichen Geisteslebens 
ist es, der hauptsächlich die geistige Einheit des Menschengeschlechts 
begründet. Wer dieser Ansicht huldigt, wird auch der Annahme nicht 
beipflichten mögen, wonach viele Generationen sprachloser Menschen 
und selbst eine Gliederung derselben in Rassen der ersten Sprach- 
entwicklung vorhergegangen seien. 
Nur der Mensch hat ferner das Bestreben, sich und seine Um- 
gebnng zu schmücken, um sich oder Anderen zu gefalleu. Kein Stamm 
der Erde ist gesunden ohne die Anfänge musikalischer und bildender 
Kunst. — Bei keinem Stamme, sei er auch noch so ärmlich, ist der 
Einzelne ohne sachlichen Besitz, welchen er schützt, oder durch freie 
Willensthätigkeit an Andere überträgt. — Endlich fehlen nirgends auf 
der Erde dem Menschen religiöse Vorstellungen als lebensvoller 
Keim weiterer EntWickelungen. — Stimmt so das Menschengeschlecht 
in den Grundzügen seiner geistigen Begabung überein, so lehren ferner 
gewissenhafte Beobachtungen, daß alle Menschenstämme höherer geistiger 
Entwickelung fähig sind, und es war Unverstand mancher durch die 
vorherrschende Betrachtung körperlicher Verhältnisse in ihrem Urtheile 
bestochener Naturforscher oder ein durch Habsucht oder Rassenhaß hervor- 
Zerusener Jrrthum, wenn man z. B. behauptete, daß die geistigen Fähig- 
keiten der Neger, sowohl des Einzelnen als des Stammes, stationär 
blieben und eine Entwickelung über eine gewisse Grenze hinaus nicht 
gestatteten. In dieser Hinsicht hat sich neuerdings ein bedeutender 
Ämschwung vollzogen, indem fast jede nähere Bekanntschaft mit sog.
	        
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