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alle vor ihm, und er wusste lange nicht, wozu er am ersten greifen
sollte. Endlich lud er Edelsteine auf, so viel er tragen konnte. Er
wollte seine Last hinausbringen; weil aber Herz und Sinn ganz voll
von den Schätzen waren, hatte er darüber den Namen des Berges
vergessen, und rief: „Berg Simeli, Berg Simeli, thu dich auf!“
Aber das war der rechte Name nicht, und der Berg regte sieh nicht
und blieb verschlossen. Da ward ihm angst; aber je länger er nach-
sann, desto mehr verwirrten sich seine Gedanken, und halfen ihm
alle Schätze nichts mehr. Am Abend that sich der Berg auf, und
die 2wölf Räuber kamen herein, und als sie ihn sahen, lachten sie
und riefen: „Vogel, haben wir diech endlieh? Meinst du, wir hätten's
nicht gemerkt, dass du zweimal hereingekommen bist? Wir konnten
dich seither nicht fangen; aber das dritte Mal sollst du nicht wieder
heraus.“ Da rief er: „leh war's niecht, mein Bruder war's!“ Aber
er mochte bitten um sein Leben und sagen, was er wollte, sie
schlugen ihm das Haupt ab.
179. Der Hund von St. Bernhard.
Über den großen St. Bernhard führt ein sehr betriebener Bergpaß
aus Wallis nach Italien. In dem öden, hohen Felsenthale, von Bergen
umschlossen, die ewiger Schnee bedeckt, steht das Kloster des heiligen
Bernhard. Es ist dies die höchste menschliche Wohnung in der alten
Welt. Hier wohnen zehn bis zwölf fromme Mönche, deren einziges Ge—
schüft es ist, die Reisenden unentgeltlich zu bewirten und ihnen alle Hilfe
angedeihen zu lassen. In den acht oder neun Monaten des Jahres, wo
Schnee, Nebel, Ungewitter und Schneelawinen den Weg sehr gefährlich
machen, streifen diese Geistlichen oder ihre Diener täglich umher, um
Verirrte aufzusuchen oder Versunkene zu retten.
Schon viele Jahre her bedient man sich zur Rettung der Verunglückten
auch besonders abgerichteter, großer Hunde. Diese gehen entweder allein
aus, oder werden von den Mönchen mitgenommen. Sobald der Hund
einen Verunglückten ausgewittert hat, kehrt er in pfeilschnellem Laufe
zu seinem Herrn zurück und giebt durch Bellen, Wedeln und unruhige
Sprünge seine gemachte Entdeckung kund. Dann wendet er um, immer
zurücksehend, ob man ihm nachfolge, und führt seinen Herrn nach der
Stelle hin, wo der Verunglückte liegt. Oft hängt man diesen Hunden
ein Fläschchen mit Branntwein oder anderen stärkenden Getränken und
Körbchen mit Brot um den Hals, um es einem ermüdeten Wanderer
zur Erquickung anzubieten.
Ein solcher Hund war Barry. Zwölf Jahre lang war er uner—
müdet thätig und treu im Dienste der Menschheit, und er allein hat in
seinem Leben mehr als vierzig Menschen das Leben gerettet. Der Eifer,