Full text: Zweites Lesebuch für die unteren Mittelklassen der deutschen Volksschulen

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280. Der Nagel. 
Ein Kaufmann hatte auf der Messe gute Geschäfte gemacht, alle 
Waren verkauft und seine Geldkatze mit Silber und Gold gespickt. Er 
wollte jetzt heimreisen und vor Einbruch der Nacht zu Haus sein. Er 
packte also den Mantelsack mit dem Gelde auf sein Pferd und ritt fort. 
Zu Mittag rastete er in einer Stadt. Als er weiter wollte, führte ihm 
der Hausknecht das Roß vor, sprach aber: „Herr, am linken Hinterfuß 
fehlt im Hufeisen ein Nagel.“ „Laß ihn fehlen,“ erwiderte der Kauf— 
mann; „die sechs Stunden, die ich noch zu machen habe, wird das Eisen 
noch halten. Ich habe Eile.“ Nachmittags, als er wieder abgestiegen 
war und dem Roß Brot geben ließ, kam der Knecht in die Stube und 
sagte: „Herr, eurem Pferde fehlt am linken Hinterfuß ein Hufeisen. 
Soll ich's zum Schmied führen?“ „Laß es fehlen,“ erwiderte der Herr; 
„die paar Stunden, die noch übrig sind, wird das Pferd wohl aushalten. 
Ich habe Eile.“ Er ritt fort; aber nicht lange, so fing das Pferd zu 
hinken an. Es hinkte nicht lange, so fing es an zu stolpern, und es 
stolperte nicht lange, so fiel es nieder und brach ein Bein. Der Kauf- 
mann mußte das Pferd liegen lassen, den Mantelsack abschnallen, auf 
die Schulter nehmen und zu Fuß nach Haus gehen, wo er sehr spät 
in der Nacht erhitzt und ermüdet anlangte. „An allem Unglück,“ sprach 
er zu sich selbst, „ist der verwünschte Nagel schuld.“ — Eile mit Weile! 
Aus kleinen Anfängen kommen oft große Folgen. 
1. Der Sonntag ist gekommen, 
ein Sträußchen auf dem Hut. 
Sein Aug' ist mild und heiter, 
er meint's mit allen gut. 
281. Der Sonntag. 
3. Und wie in schönen Kleidern 
nun pranget jung und alt, 
hat er für sie geschmücket 
die Flur und auch den Wald. 
2. Er steiget auf die Berge, 
er wandelt durch das Thal, 
er ladet zum Gebete 
die Menschen allzumal. 
4. Und wie er allen Freude 
und Frieden bringt und Ruh' — 
so ruf nun du auch jedem: 
„Gott grüß' dich!“ freundlich zu. 
Hoffmann v. Fallersleben. 
282. Das beste Mittel, alt zu werden. 
Ein Greis wurde gefragt, wie er es gemacht habe, um ein so hohes 
Alter zu erreichen. „Gewiß hast du,“ sagte der eine, „ein herrliches 
Mittel, das du bis heute noch gebrauchst.“ — „Gieb uns doch auch von 
demselben!“ rief ein anderer. Der Greis lächelte und sprach: „Recht 
gern, meine Kinder, wenn ihr es nur gebrauchen wollt. Mein Mittel 
ist einfach: ich aß nämlich stets nur, um satt zu werden, und trank nur, 
um nicht mehr zu dürsten.“ 
Curtman.
	        
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