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grünen. Die Tannenbäume hätten das gerade nicht nötig; denn ihr
altes Aleid vom vorigen Zahre ist noch recht schön. Aber wenn alle
Bäume sich schmücken, wollen auch sie nicht dahinten bleiben, und eilig
treiben sie lange, hellgrüne Schüsse.
2. Sie wissen aber auch wohl, warum. Der Hase, der manch¬
mal aus dem Walde ins Feld hineinspaziert, hat schon vor Wochen
draußen die Lerche getroffen. Und die hat dem Walde einen schönen
Gruß durch ihn bestellen und ihm sagen lassen: „Zn wenigen Tagen
kommt die ganze Vogelschar zurück und will mit Sang und Alang in
den Wald einziehen, Fink und Drossel, Grasmücke und Nachtigall und
der Auckuck — nicht zu vergessen."
3. Darum beeilte sich der Wald, sein Festkleid anzulegen, und
die warme Frühlingssonne half ihm wacker. Aber noch war er längst
nicht fertig, da kamen sie schon an, die lieben kleinen länger. Und der
Auckuck schrie durch den Wald, als ob er ihm allein gehöre. Doch
die andern Vögel stört das nicht. Sie wissen wohl, daß der Wald
sich auch für sie so herrlich schmückt und danken ihm mit frohen
Liedern.
1«. Das ist ein Zwitschern und pfeifen, ein Jubeln und Singen!
Die Blumen, die unter den Bäumen stehen, die weißen Windröschen
und die blauen Leberblümchen, recken sich höher empor und möchten
gern die lustigen Sänger hoch oben in den grünen Wipfeln in der
Nähe sehen. Der Hase spitzt seine langen Ohren, damit ihm keins
von den frohen Liedern entgeht. Das Reh bleibt stehen und lauscht,
und sogar die kleinen Fliegen und Alücken freuen sich über die schöne
Alusik und tanzen danach im Sonnenschein. Die Ainder aber freuen
sich auch, springen unter den grünen Bäumen umher und singen mit
den Vöglein um die Wette. Friedrich Stillcke.
199. Im Walde.
ie schön ist's im Walde, wenn die Bäume wieder grün sind,
wenn aus Busch und Gras freundliche Blumen winken,
wenn der Kuckuck ruft und tausend andere Vögel fröhlich ihre Lieder
singen!
Wie Säulen stehen sie da, die schlanken Stämme der Buchen!
Alle sind schön rund, die saubere Rinde ist glatt und silberweiß.
Die Aste und Zweige mit ihren zarten, länglichrunden Blättern bilden
hoch oben ein lichtes, grünes Gewölbe. Nun betrachte jene alte,
ehrwürdige Eichel Sieh den kräftigen Stamm und die gewaltigen,
wunderlich gekrümmten Aste! Die dicke, braune Rinde hat tiefe