Full text: Lesebuch für die Unterklassen der bayerischen Volksschulen

130 190. Wie Lenchen und Fundevogel treue Freundschaft hielten. 
gchreien, als ob es ein kleines Kind wäre. Er ging 
dem Schreien nach und kam endlich zu einem hohen 
Baume und oben darauf sass ein kleines Kind. Es 
war die Mutter mit dem Kinde unter dem Baume 
eingeschlafen und ein Raubvogel hatte das Kind in 
ihrem Schosse gefunden. Da war er hinzugeflogen, 
hatte es mit dem Schnabel weggenommen und auf 
den hohen Baum gesetzt. Der PFörster stieg hinauf, 
holte das RKind herunter und dachte: Du willst das 
Kind mit nach Hause nehmen und mit deinem Lenchen 
usammen aufziehen. Er brachte es also heim und 
die zwei Kinder wuchsen miteinander auf. Das aber, 
welches auf dem Baume gefunden worden war, und 
wei es ein Vogel weggetragen hatte, ward Funde- 
vogel genannt. Fundevogel und Lenchen hatten sich 
so lieb, nein so lieb, dass, wenn eins das andere nicht 
sah, es traurig ward. 
190. WVie Lenchen und Fundevogel treue Freund- 
schaft hielten. 
Lenchen hatte es gemerkt, dass die Köchin, die 
alte Sanne, Böses im Sinne trug und Fundevogel 
töten wollte. Sie sagte es ihrer Ereundin und sie 
flohen miteinander. 
Da schickte die Köchin drei Knechte nach, die 
Follten lausen und die Kinder einfangen. Die Kinder 
aber sasssen vor dem Walde, und als sie die drei 
Knechte von weitem laufen sahen, sprach Lenchen 
um Fundevogel: Verlasst du mich nicht, so verlass 
ich dich auch nicht. Fundevogel sprach: Nun und 
nimmermehr. Da sagte Lenchen: Werde du zum 
Rosenstõckchen und ich zum Röslein daraufl Als nun 
die drei Knechte vor den Wald kamen, so war nichts 
da als ein Rosenstrauch und ein Röschen oben darauf,
	        
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