Schau nur gleich das gemeine Heidekraut an! Wie niedlich
sind die feinen, grünen Blättchen in vier Reihen um ein Stielchen
geordnet; wie lieblich sehen die zahlreichen kleinen Blüten aus, die
an jedem Zweige eine lange Ähre bilden! Sieh, wie die Bienchen
jedes einzelne Vlütchen so genau untersuchen! Es muß wohl etwas
Gutes darin stecken Vergiß auch die Glockenheide nicht, die dort
in dem feuchten Grunde steht. Du kannst sie an den fleischfarbenen
Glöckchen, die in einem Büschel oben an dem aufrechten Stämmchen
hangen, leicht erkennen. Vielleicht findest du nahe bei ihr ein merk—
würdiges Blümchen, dessen Blätter sogar am hellen Mittage noch
hom Tau bedeckt zu sein scheinen, wenn das Heidekraut schon
bollständig trocken ist. Man nennt es Sonnentau. Sieh das
Pflänzchen genau an! Flach auf dem Boden liegen viele kleine,
nde Blätter im Kreise herum; jedes hat ein Stielchen, so daß
es fast wie eine kleine Pfanne aussieht. Die Blättchen und ihre
Stiele sind mit feinen, roten Härchen bedeckt, die einen wasserhellen,
klebrigen Saft ausschwitzen. Dadurch wird das Pflänzchen zu einer
natürlichen Fliegenfalle. Sieh nur nach, ob nicht auf dem einen oder
andern Blätlchen ein gefangenes Mücklein oder ein anderes kleines
Tier festklebt! Im Juli kannst du auch die weißen Blümchen des
Sonnentaues betrachten; sie sihen auf zarten Stengeln, die aus der
Mille des Blätterkreises zierlich aufsteigen. — Ich kann dir die
hübschen Pflänzchen der Heide nicht alle vorführen. Wenn du auch
n kleinen Dingen gern Schönes auffindest, so wird dir die Heide
noch manches Vergnügen bereiten, und du wirst sehen, daß der
liebe Gott auch die Heide nicht vergessen hat, als er seine schönen
Sachen über die ganze Welt verteilte.
290. Abend auf der Heide.
Gustav Pasig.
1. Die Heide glüht im Abendschein, mit Purpurlicht geziert,
indes ihr fexnster Saum sich leis in blauem Duft verliert.
2. Die alten Kiefern wiegen sacht die Wipfel hin und her;
die breilen Äste neigen sich ur Erde müd' und schwer.
3. Das Heidekraut nickt schläfrig ein, vom Abendtau beneht;
es hat sich reich den langen Tag am Sonnenlicht geletzt.
4. Unn schwand das Licht, und dunkle Nacht deckt das Gefilde zu,
Sie bringt der müden Heide auch vom Himmel süße Kuh.
Lesebuch für Mittelklassen. Oldenburg.
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