Metadata: Kleine vaterländische Geschichte für preußische Volksschulen

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auszudrücken; ebenso verstand er die Kunst des Rechnens, aber nicht die 
des Schreibens. Deshalb hatte er des Nachts ein Wachstäflein zur Hand, 
um sich im Malen der Buchstaben zu üben; aber die des Schwertes ge- 
wohnte Hand gewöhnte sich schwer an den Griffel. Gern unterhielt er 
sich mit gelehrten Männern, und mehrere zog er aus fremden Ländern 
an seinen Hof, z. B. den weisen Alkuin aus England, der ihm mehr galt, 
als ein ganzes Königreich. Mit diesen Freunden gab er den Monaten 
und Winden deutsche Namen und ließ durch sie die alten deutschen Helden- 
lieber sammeln. 
5) Seine Sorge für bie Lanbwirtschast bewies Karl dadurch, 
daß er seine großen Güter in eigener Verwaltung hatte; ja er bestimmte 
sogar selbst, was für Gemüse, Obstarten, Arznei- und Gewürzpflanzen 
und Blumen in seinen Gärten angebaut werden sollten. 
6. Alter und Tod. Da Karl sich als mächtiger Schirmherr der 
Christenheit bewährt hatte, so erwies ihm der Bischof von Rom hohe 
Ehren; ja im Jahre 800 wurde er sogar in der Peterskirche zu Rom 
zum römischen Kaiser gekrönt. In diesen Ehren lebte er noch 
14 Jahre. Er hielt sich meist in seinen „Pfalzen" am Rheine auf, zu 
Ingelheim und Aachen; am letzteren Orte stärkte er seinen Leib 
durch Baden in den warmen Quellen. Gegen Ende des Jahres 813 krönte 
Karl noch seinen Sohn Ludwig; wenige Wochen darauf starb er. Sein 
Leichnam ward einbalsamiert und im Dome zu Aachen bestattet. Auf 
einem goldenen Stuhle ward der Kaiser in die Gruft gesenkt; die Hüfte 
war mit einer goldenen Pilgertasche umgürtet, aus dem Haupte trug er 
ein Stück des heiligen Kreuzes, auf den Knieen lag ein goldenes Evan- 
gelienbnch. Die Gruft aber ward mit köstlichen Spezereien gefüllt und 
dann geschlossen. 
Karls des Großen Nachfolger. 
a. Ludwig der Fromme. 1) Karls d. Gr. Sohn Ludwig war 
von Geistlichen erzogen worden. Daher wandte sich sein Sinn früh dem 
Himmel zu. So war er, obgleich von Herzen ein frommer Mann, doch 
nicht mit der rechten Kraft ausgerüstet, um die unruhigen Völker des 
großen Frankenreiches zu regieren. Dazu ward er auch von äußeren 
Feinden bedrängt. Kühne Seeräuber, die Normannen, erschienen er- 
obernd an der Küste der Nordsee und an der Westküste des Frankenreiches. 
Aus ihren spitzgeschnäbelten Schiffen drangen sie auf dem Rheine bis nach 
Sonn und auf der Seine bis nach Paris vor, mordeten und brannten 
und führten reiche Beute hinweg. Aus dieser Unruhe der Welt sehnte 
steh der fromme Ludwig nach der Stille des Klosters. Deshalb teilte er 
das Reich unter seine Söhne Lothar, Karl und Ludwig. 
2) Weil aber die Söhne sich nie einigen konnten, so behielt Ludwig 
noch immer die Kaiserwürde. Das führte endlich zum frevelhaften Kriege 
der Söhne gegen den Vater. Im Jahre 833 lag bei Kolmar im 
Elsaß der Kaiser gegen die aufrührerischen Söhne zu Felde. Schon sollte 
der Kampf beginnen, da gingen, gelockt von Verrätern, die meisten 
Mannen des Kaisers zu den Söhnen über, und Ludwig ward gefangen 
auf dem „Lügenfelde". Zwar ward er, da die unnatürlichen Söhne
	        
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