Deutsche Reichsgerichte. 447 
dem Gegner seine Burgen brach, wer ihm seine Dörfer verbrannte, wer ihn 
am hartnäckigsten befehdete und endlich lahm legte, der blieb auch Sieger 
im Streit über das Recht. 
Sodann aber erlangten auch mit der Zeit die größeren Territorien die 
Befreiung von der kaiserlichen Gerichtsbarkeit, und mit einem Schlage wurde 
in der goldenen Bulle verordnet, daß die Unterthanen aller Kurfürstentümer 
nur vor den Gerichten ihrer Landesherren zu Recht stehen und nicht mehr 
vor die kaiserlichen Gerichte geladen werden sollten. Aber auch im übrigen 
Deutschland verlor die Hofgerichtsbarkeit des Kaisers immer mehr an Be¬ 
deutung, und seit dem Jahre 1450 ist kein Fall bekannt, in dem der Kaiser 
oder in seiner Vertretung ein kaiserlicher Hofrichter mit den am Hof an¬ 
wesenden Fürsten, Rittern und Hofbeamten einen Rechtsstreit entschieden hätte. 
Jetzt kommt eine neue Gerichtsbarkeit des Königs auf: an die Stelle 
des Hofs tritt die Kammer, an die Stelle des Hofgerichts die Cabinets- 
justiz des Kammergerichts. Hatte der König bisher dem Gericht des Hofes 
nur vorgesessen und dessen Spruch verkündet, so übt er jetzt die Justiz in 
seiner Kammer; nicht besetzt er mehr sein Gericht mit Fürsten und Rittern, 
sondern er befragt jetzt feine vornehmen Beamten, seine studierten Geheim¬ 
räte, welche im römischen Recht Bescheid wissen, aber von dem im Volk 
lebenden Recht keine Ahnnng haben, um ihren Rat. Er ist jetzt Richter 
und Urteiler in einer Person, und es hängt von seiner Willkür ab, welche 
Ratgeber er befragen und wieweit er auf ihren Rat bei feiner Entscheidung 
hören will. Aber wie zahlreich werden von nun an die Klagen über die 
Parteilichkeit und den schleppenden Gang der kaiserlichen Gerichtsbarkeit, 
über die unerschwinglich hohen Gerichtskosten, und überdies vermag oft selbst 
der Kaiser nicht, den Spruch seines Gerichts zur Vollführung zu bringen. 
Eine Stimme aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts klagt: 
„So denn der Römische Kaiser ihr alleroberster Richter ist und sollte mög¬ 
lichst alle Richter und alle Ding, die vor ihn kämen, die unredlich wären, 
so regieren und strafen, fo nehmen Könige, Fürsten und Herren alle Geld 
und Gut, wie ich das viel gesehen und vernommen habe, so daß kein armer 
Mann Recht gegen den reichen Mann bekommen kann. Darum ist das 
Recht auf Erden ein Spinnwebe. Auch geschieht mehr übles von dem 
Römischen Könige. Wird an ihn appelliert und kommt ein armer Mann 
Zn Hof, der sein Recht in andern Landern bekommen kann, den lassen sie 
da liegen 10, 11 oder 20 Jahre, so lange bis er stirbt oder vor Armut 
von dannen gehen mag, nngeholsen seines Rechts, so daß niemanden Gericht 
von ihnen widerfahren kann." 
Jetzt fordern die Kurfürsten und die Reichstage durchgreifende Reformen 
*mt Reichsjustizwesen, aber lange vergeblich. Wenn auch unter Kaiser 
Friedrich III. mancher Gesetzentwurf ausgearbeitet wird und der Kaiser die 
Berücksichtigung der Beschwerden verspricht, so war er doch später nicht 
willens, das Versprechen zu halten und die zugesagten Einschränkungen 
seiner Machtvollkommenheit ins Leben treten zu lassen. Drei Punkte sind
	        
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