Full text: [Mittelstufe, [Schülerband]] (Mittelstufe, [Schülerband])

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214. Kaiser Wilhelm im Alter. 
Kaiser Wilhelm J. war bis in sein hohes Alter hinein für das 
Wohl seines Landes immer tätig. 
„Wer den Frieden will, muß für den Krieg gerüstet sein,“ das 
war sein Grundsatz. Deshalb widmete er dem Heere auch seine ganz 
besondere Aufmerksamkeit. Bis in die allerletzten Jahre seines Lebens 
nahm er wochenlang jeden Tag an den Frühjahrsvorstellungen der 
Garde in Berlin und Potsdam teil. Den Abschluß dieser Vorstellungen 
machten die großen Paraden. Wie leuchteten da des Kaisers Augen, 
wenn seine Garden an ihm vorüberzogen! Aber auch die kleinsten 
Versehen entgingen niemals seinen Blicken. 
Jeden Herbst nahm der Kaiser auch an den Manövern teil. Als 
die Arzte bemerkten, daß das Reiten ihm Beschwerden verursachte, 
rieten sie ihm ab, das Pferd zu besteigen. Da erklärte er ruhig und 
bestimmt: „Das gehört zu meinem Berufe, und lieber will ich darüber 
zugrunde gehen, als meine Pflicht versäumen.“ Als er schließlich 
aber nicht mehr reiten konnte und durfte, wohnte er den Vor— 
führungen in einem Wagen bei. 
Einst hielt der Kaiser in Württemberg bei einem Manöver eine 
Parade ab. Da ließ sich ein 93 jähriger Greis, der in den Freiheits- 
kriegen mitgekämpft hatte, hinfahren, um den Kaiser zu sehen. Der Kaiser 
bemerkte den Alten von seinem Wagen aus und ließ halten. Da wollte 
der alte Mann aussteigen, um seinen Kaiser zu begrüßen. Doch wurde 
es ihm zu schwer. Da rief der Kaiser: „Bleiben Sie sitzen! Ich bin 
der Jüngere und kann zu Ihnen kommen.“ Und nun stieg der Kaiser 
aus und ging zu dem Alten, der von Staunen und Freude ganz über— 
wältigt war. Kaiser Wilhelm war damals 88 Jahre alt. 
In dem Arbeitszimmer des Kaisers sah man noch oft die Lampe 
brennen, wenn im Schlosse schon alles schlief. Ja, als er schon ganz 
entkräftet auf dem Sterbebette lag, sagte er noch zu seiner Tochter: 
„Ich habe keine Zeit, müde zu sein.“ Bernhard Rogge. 
215. Ein Helfer in der Not. 
Es war im Juli des Jahres 1865. Auf der Promenade des 
Bades zu Karlsbad in Böhmen schritten die Badegäste, die sich hier 
Genesung suchen wollten, auf und ab und lauschten der Musik, die 
fröhlich vom Kurhause herüberschallte. Unter den Spaziergängern be— 
fand sich auch ein Herr, der von allen Seiten auffallend ehrfurchtsvoll 
begrüßt wurde und deshalb einsamere Wege aufsuchte. 
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