Full text: [Theil 4 = [Schulj. 4], [Schülerband]] (Theil 4 = [Schulj. 4], [Schülerband])

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gebracht Ein Aufseher schreitet an uns vorüber, uns zählend und ver— 
dächtig musternd, als ob wir mit unsern verstümmelten Beinen fortzu— 
laufen im Stande wären. Der Sicherheit wegen werden wir auf 
einen langen Leiterwagen geladen und in ein dunkles und dumpfes 
Gefängniß gebracht, worin wir die Grausamkeit der Menschen in der 
furchtbarsten Weise kennen lernen, denn auf einer harten Tenne schlägt 
man mit dicken Prügeln auf unsere Köpfe, daß auch nichl ein Körnchen 
darin bleibt. 
Nachdem unsere zerschlagenen Leiber in Bündel zusammengeschnürt 
sind, lücheln uns, falls die Umstände günstig sind, wieder bessere Tage, 
denn entweder werden aus uns die schönsten Hüte oder Körbchen 
geflochten, oder man verarbeitet uns zu Papier, was freilich die größte 
Ehre für uns sein muß, da gelehrte Leute die nützlichsten und ange— 
nehmsten Unterhaltungen auf uns schreiben. Wenn uns jedoch der 
Glücksstern nicht mehr scheinen will, dann werden wir theils zum Decken 
der Bauernhütten benutzt und haben bis an unser Ende unaufhörlich 
mit Regen und Sturm, Schnee und Sonnenhitze zu kämpfen, theils 
werden wir auf einer mit einem breiten Messer versehenen Maschine in 
kleine Stücke geschnitten und als Häckerling von verschiedenen vierfüßigen 
Hausthieren verspeist. 
Meinen Körnern geht es nicht besser. Zwischen harten Steinen in 
der Mühle zu feinem Mehl zerrieben, werden sie dann vom Bäcker zu 
Brot verbacken. Mein Onkel, der vornehme Weizen, wird doch wenig— 
stens zu Kuchen und Torten verbraucht und hat also die Ehre, die 
Tafel der Reichen zu zieren. Aber was soll ich erst sagen zu dem 
Schicksal der Tante Gerste, die zu bitterm Biere gekocht wird, — oder 
zu dem Lebensende des Neffen Hafer, der gar nur Pferden und Gänsen 
als Futter dient? 
O, es ist gewiß ein trauriges Geschick, ein Getreidekorn zu sein! 
Pfalt. Schulmann. 
71. Die Bettlerin. 
Zur Zeit der Theuerung ging eine unbekannte Bettlerin, 
die sebr ärmlieh, jedoch sehr reinlieh gekleidet war, in dem 
Dorfe herum und flehte um Almosen. 
Bei einigen Häusern wurde sie mit rauben Worten ab— 
gewiesen. Bei andern bekam sie eine sehr geringe Gabe. Nur
	        
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