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mit gelben Häuschen und schwarzen Streifen, selbst im Teiche schwimmen
viele mit dunklen, grauen Schalen.
Woher haben denn die Schnecken ihr niedliches Häuschen? Die
alte Schnecke legt viele kleine Eier an den feuchten Moosrasen. Die
Sonne brütet dieselben aus, und aus jedem kriecht eine winzig kleine
Schnecke mit einem kleinen Häuschen. Die Schnecke wächst, und das
Haus wird ihr bald zu klein. Da streckt sie ihre vier Augen bedächtig
aus, schauet nach Nahrung und kriecht zum saftigen Rasen, zum bunten
Blümchen. In ihrem Munde besitzt sie zwei kleine Zähne, damit beißt
sie die kleinen Blätter ab und verzehrt sie. Dieselben verwandeln sich
dann in ihrem Körper in einen glänzenden Schleim, und damit glättet
sie die Bahn, wenn sie kriecht. Aus dem Schleime baut sie auch ihr
Häuslein, ganz allmählich einen Ring nach dem andern, bis eine neue
Windung fertig ist. Die neuen Windungen werden größer und größer,
so wie sie selber wächst. Aber wohl niemand sieht es dem Schnecken—
hause an, daß es aus Gras und Blumen erbaut ist.
Das Haus vertritt bei der Schnecke die Stelle der Knochen. Sie
ist an dasselbe angewachsen und kann es nicht verlassen. Nun vermag
die Schnecke zwar nicht schnell vorwärts zu kommen, da sie die ganze
Wohnung stets mitnehmen muß, dafür ist sie aber auch übexall zu Hause,
sie mag reisen, wohin sie will. Und wird ihr irgendwo unsanft begegnet,
so zieht sie sich still zurück in ihr Zimmer und befindet sich wohl im
Schutze der festen Schale.
Wenn die Blumen verblüht sind und die Blätter verwelken, wird's
auch der Schnecke zu kalt. Sie sucht ein geschütztes Plätzchen hinter dem
Steinblocke, zwischen dem Moosrasen oder im Erdloche und fertigt aus
Schleim nun auch eine Thür vor ihr Haus. Nachdem sie alles sorg—
sam verschlossen, schläfl sie ein und träumt den ganzen Winter hindurch.
Mitunter kommen dann wohl während des Winters Vögel und suchen
die schlafende Schnecke auf, zerschellen ihr Haus an einem Steine und
verzehren die Bewohnerin. Ist die Schnecke alt geworden, so schließt
sie ihre Thür wohl noch einmal, öffnet sie aber nicht wieder. Das
Häuschen ist jetzt ihr Sarg, zu dem sie sich selbst den Deckel bereitet.
Hier verwest sie. Alsdann fließt ein dunkles Wasser heraus, das tröpfelt
in die Erde. Die Wurzeln der Blumen trinken es, oder es verdunstet,
steigt hinauf in die Wolken und fällt wieder mit herab auf den dursten⸗
den Rasen. Das leere Häuschen aber liegt einsam am Wege, Käfer
und Würmchen flüchten sich hinein, und Kinder suchen es und spielen
damit. Nach Wagner.