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103. Giulehr
1. Bei einem Wirthe, wundermild
da war ich jüngst zu Gaste
Ein goldner Apfel war sein Schild
an einem langen Aste.
2. Es war der gute Apfelbaum,
bei dem ich eingekehret.
Mit süßer Kost und frischem Schaum
hat er mich wohl genähret.
3. Es lamen in sein grünes Haus
viel leicht beschwingte Gäste.
Sie sprangen frei und hielten Schmaus
und sangen auf das beste.
4. Ich fand ein Bett zu süßer Ruh
auf weichen, grünen Matten.
Der Wirth, er deckte selbst mich zu
mit seinem kühlen Schatten.
5. Nun fragt ich nach der Schuldigkeit,
da schüttelt' er den Wipfel.
Gesegnet sei er allezeit
von der Wurzel bis zum Gipfel! Uhland.
104. Die Reue.
Ein Landmann hatte mit eigenen Händen eine Reihe edler Obst—
bäumchen gezogen. Zu seiner großen Freude trugen sie die ersten Früchte,
und er war begierig zu sehen, von welcher Art sie sein möchten
Da kam der Sohn des Nachbars, ein böser Bube, in den Garten und
lockte das Söhnlein des Landmanns, also daß sie hingingen und die Bäumchen
allesamt ihrer Früchte beraubten, ehe denn sie vollig gereift waren.
As nun der Herr des Gartens herzutrat und die kahlen Bäumchen
erblickte, ward er sehr bekümmert und rief? „Ach, warum hat man mir
das gethan? Bose Buben haben mir meine Freude verdorben!“
Diese Worte gingen dem Söhnlein des Landmanns sehr zu Herzen,
und er lief zu dem Sohne des Nachbars und sprach: „Ach, mein Vater
ift bekümmert um die That, welche wir verübt haben! Nun habe ich