Full text: [Theil 1 = Für untere Klassen, [Schülerband]] (Theil 1 = Für untere Klassen, [Schülerband])

146. Das Kätzchen und die Stricknadeln. 3 
Mit dem ersten Morgenschein beginnen die Sorgen der Henne. Wenn sie 
ein Ei gelegt hat, zeigt sie es selbst der Hausfrau durch ihr redseliges Gackern an. 
Unermuüdlich scharrt sie und pickt die Körner auf. Sie hat keine Sehnsucht, sich 
ben Aflen zu wiegen, sie baut nicht kunstvoll ihr Nest, sie singt keine Lie— 
der; aber dafür erfüllt sie auch um so treuer ihre Pflichten im Hofe. Am mei— 
sten ist diese Treue zu bewundern, wenn sie Mutter ist. Wie trippelt und sucht 
sie, wie scharret und lockt sie! Jedes Korn zerbeißt sie den Jungen, jeden 
Brosamen legt sie ihnen vor das Schnäbelchen. Alle Küchlein versorgt sie, nur 
an sich selbst denkt sie nicht; und obwohl ihr forschendes Auge kein Würmchen 
übersicht, entdeckt sie doch auch sogleich jede Gefahr, und mit ängstlicher Stimme 
ruft sie die sorglos zerstreuten Kleinen, wenn der Habicht in der Höhe droht. 
Mil welchem Herzen liebt sie die kleine Ente, die man sie ausbrüten ließ. Sie 
führt sie auf die Wiese, sucht ihr Samen, will sie scharren lehren. Aber o weh! 
dort rieselt ein Bach, und die kleine gelbe Schwimmerin watschelt jubelnd dem 
Wasser zu. Schon spielt sie in den Wellen. Wie erschrickt da die arme Mutter! 
wie läuft sie am Ufer hin und her! wie mahnt sie! wie bittet sie!l — Gewiß, 
das ist eine unendlich treue Hingebung, und darum wird die Gluckhenne, trotz 
ihrer Armseligkeit, von allen gepriesen. Christus selbst hielt es nicht zu gering, 
sene Liebe zu seinem großen Volke mit der Liebe einer Glucke zu ihren Küchlein 
zu vergleichen. — — Masius) 
146. Das Lätzchen und die Stricknadeln. 
(Märchen.) 
P war einmal eine arme Frau, die in den Vald ging, um Hol- zu lesen. 
Als sie mit ihrem Bundel auf dem Rückwege war, sah sie ein krankes 
Rũtaæchen hinter einem Zaune liegen, das Kläglich schrie. Die arme Hrau 
nahim es mitleidig in ihre Schürze und trug es nach Hause. Auf dem Wege 
Lamen ihre beideòn Rinder ihr entgegen, und als sie sahen, dab die Mutter 
etwas trug, fragten sieé: „NMutter, was trägst du?“ und vollten gleich das 
Katzchen haben. Aber die mitleidige Frau gab es ihnen nieht, aus Sorge, 
gie möchten es quälen, sondern sie legte es zu Hause auf weiche, alte Rlei- 
der und gab ihm Mileh zu trinken. Als das Kätzehen sich gelabt hatte und 
wieder gesund war, wvar es mit einem Male fort und verschwunden. — Nach 
einiger Zeit ging die arme Frau wieder in den Wald, und als sie mit iĩhrer 
Burde Holz- duf dem Rückwege wieder an die Stelle Kam, wo das kranke 
Katzchen gelegen hatte, da stand eine gan- vornehme Dame dort, winkte 
die arme Vrau zu sieh und warf ihr fünt Stricknadeln in die Schürze. Die 
PFrau wubte nieht recht, vas sie denken sollte, und es dünkte diese 
absonderliche Gabe ihr gar gering; doch nahm sie die Stricknadeln, zeigte 
gie ihren Kindern und legte sie des Abends auf den Tisch. Aber als die 
PFrau am andern Morgen ibr Lager verlieb, siehe, da lagen ein Paar neue, 
fertig gestrickte Strüumpfe auf dem Tische. Das wunderte die alte Prau uüber 
alle Maßen, und am nächsten Abend legte sie die Nadeln vwieder auf den 
Tisch, und am Morgen darauf lagen neue Strümpfe da. Jetzt merkte sie, 
da Zum Lohne res Mitleids mit dem kranken Kätzehen inr diese Nadeln 
beschert waren,. und lieb dieselben nun jede Nacht stricken. bis sie und de
	        
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