Full text: [Neuere Geschichte] (Theil 3)

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§. 13. Friedrich der Große bis zu seiner 
Thronbesteigung. 
Wir begrüßen in diesem Abschnitte den größten Herrscher des acht¬ 
zehnten Jahrhunderts, Friedrich den Großen, welcher vom Jahre 
J 740 an zugleich mit seiner ihm ebenbürtigen edlen Gegnerin Maria 
Theresia den Vordergrund der Geschichte seiner Zeit bildet. 
Wersen wir einen kurzen Blick auf seine Jugend, so sehen wir, daß 
sein Herrschergenie in einer trüben Schule groß gezogen worden ist. In 
allen Anlagen, Neigungen und Lebensgewohnheiten das Gegentheil von 
seinem Vater, dem König Friedrich Wilhelm I., gestaltete sich sein 
Verhältniß zu diesem von Tag zu Tag unerträglicher, je schärfer Friedrich 
in seiner, der neuen Zeit zustrebenden Richtung den Vorurtheilen und 
festgewurzelten Grundsätzen des alten Königs in den Weg trat. Die 
Naturen, gerade in ihrer festen Tüchtigkeit, waren hier so durchaus ver¬ 
schieden, daß es begreiflich erscheint, wie ein endliches Verständnis nur die 
Frucht harter und langwieriger Kämpfe werden konnte. Friedrich liebte 
französische Sitte, Sprache und Literatur bis auf den Grad, welcher ihn 
für sein ganzes Leben selbst ungerecht gegen den Bildungsgeist seines Vater¬ 
landes machte; Friedrich Wilhelm haßte alles Ausländische, besonders 
das, was ihn an Frankreich erinnerte, von Grund des Herzens. Dagegen 
mißfielen dem jungen Prinzen die despotische Dressur, der Unterricht nach 
der alten Katechismusregel, die Jagden und üblichen Belustigungen, das 
Tabakskollegium seines Vaters auf's Tiefste. Der Zwist stieg bis zu 
thätlicher grober Mißhandlung von Seiten des alten Königs an seinem 
Sohne. Das war zu viel für Friedrich's stolzen Geist; er wollte 
fliehen — der Versuch mißlang. Auf die Festung Küstrin in strenge 
Haft gebracht, mußte der Kronprinz das Fürchterliche erleiden, seinen Freund 
und Fluchtgenossen, Katte, vor seinem Fenster, zur Strafe für die Mit¬ 
hülfe, die er ihm geleistet, enthaupten zu sehen. Am Morgen des sechsten 
November 1730 wurde die Hinrichtung vollzogen. Den Kronprinzen 
nöthigte man an's Fenster zu treten. Als er den Freund inmitten des 
Zuges zwischen zwei Predigern erblickte, rief er hinab: „Verzeihe mir, 
mein theurer Katte!" — „Der Tod für einen so liebenswürdigen Prinzen 
ist süß," erwiderte Jener. Dann schritt der Zug den Wall hinauf und 
Katte empfing, von christlicher Tröstung gestärkt, den tödtlichen Streich. 
Aber auch die starke Natur des Kronprinzen erlag; Ohnmächten ergriffen 
ihn und „die Schale, die sein Herz umschlossen hielt, war gesprungen." 
Nach einiger Zeit aus dem Gefängniß entlassen, versöhnte sich Fried¬ 
rich mit seinem Vater, der ihn nun wieder in Gnaden aufnahm. Beide 
mochten fühlen, daß sie zu weit gegangen waren, und das Verhältniß 
wurde, nach gegenseitiger besserer Würdigung und Einsicht, von nun an
	        
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