248. Soldatengeschichten. 209
aber bittet und fleht, man möge ihn liegen lassen; durch das Wasser könne
er seine Wunde kühlen. Sie gehen weiter. Auf der Rückkehr wenden sie sich
noch einmal zu dem Fähnrich; — er ist bereits verschieden. Sie heben die
Wiche auf und finden unter ihr — die Fahne, die der brave Soldat mit
seinem Leibe gedeckt hat.
5. Ein kühner Ritt. Bei Gitschin (29. Juni 1866) war die
zweite Schwadron der Blücherschen Husaren stundenlang von dem feindlichen
Kartätschenfeuer belästigt worden. Da reißt endlich dem Sergeanten Fischer
die Gebulbe Mit vier unverzagten Reitern macht er einen verwegenen Angriff
auf den Feind, der solche Kühnheit nicht zu fassen vermag und hinter den
Fünfen noch viele andere Husaren vermuthet. Mittlerweile treiben die Reiter
ganze Schaaren von Oesterreichern in die Flucht; ihrer 350 bitten um Pardon
ind werden von dem Sergeanten gefangen genommen. Hohes Lob wurde den
Tapfern zu Theil; die noch lebende Tochter des Fürsten Blücher, von dem
das Regiment seinen Namen trägt, beschenkte sie reichlich.
6 Aus der Schlacht bei Langensalza am 27. Juni 1866. Das
hannoversche Heer hatte mit überlegenen Streitkräften die Preußen zurückge⸗
brangt: von beiden Seiten war mit heldenmüthiger Tapferkeit gekämpft worden,
Iber leider! war dies eine Schlacht zwischen deutschen Brüdern, die so oft
früher mit einander verbündet gekämpft hatten. Unter den zurückweichenden
Preußen war ein nur noch 600 Mann starkes Bataillon schlesischer Grenadiere
NMi . Zhr Züuhrer Oberstlieutenant des Barres läßt Halt machen und
ein Viereck bilden.
Da erhebt sich plötzlich eine leichte Staubwolke, und man sieht einen
hannoverschen Offizier heransprengen. Er schwingt den Säbel, an dessen
Spite an weilßes Tuch befestigt ist. Offiziere und Soldaten richten ihr
Augesicht auf den Führer; dieser lächelt. — Der Hanmnoveraner hält vor der
Froͤnt. „Herr Kamerad,“ ruft er, „vermeiden Sie unnützes Blutvergießen.
Ihre Leule haben sich tapfer geschlagen. Ergeben Sie sich. Im Namen meines
Generals bitte ich um Ihren Degen.“ Jetzt furcht sich manche Stirn der
Grenadiere. Was wird der Führer antworten? — Dieser hat still zugehört;
mit ruhigem Tone antwortet er: „Meinen Degen? Bitte, Herr Kamerad,
den brauche ich selbst. — Ein lautes Gelächter ertönt im ganzen Viereck.
Der Hannoveraner grüßt, wirft sein Pferd herum und sprengt von dannen.
hn nun, Jungen, aufgepaßt! Jetzt wird der Tanz beginnen,“ ruft der
ührer.
Einige Minuten banger Erwartung; dann dumpfes Geräusch, Waffen—
geklirr, Kommandoruf. „Da sind sie!“‘ murmeln die Soldaten — „Ruhe,
Ruhel!“ kommandirt der Führer. Es scheint, als wenn die Erde sich bewege.
Unbeweglich steht das Viereck. Näher braust die Staubwolke, aus der hin
und wieder ein Kopf hervortaucht. Da ertönt aus der Mitte des Vierecks
„Feuer!“ Eine lange, weiße Rauchwolke entfaltet sich; ein unbeschreibliches
Gekunall ertönt; dann ein Geklapper, als wenn Eisen auf Eisen geschlagen
wird. Die Rauchwolke verzieht sich, und die Soldaten stehen ebenso ruhig
wie vordem da, schon wieder einen Schuß im Lauf. — Aus dem unheilvollen
Slaubdunkel ist ein namenloses Geschrei erschallt, ein haarsträubendes Gewim—
mer, Pferdegewieher, verwirrte Kommandoworte. Der Staub verzieht sich,
Keck. Deutsches Lesebuch J. 2. Aufl.