Full text: [Stufe 1, [Schülerband]] (Stufe 1, [Schülerband])

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neu mit jedes Morgens Lauf. Seine Vaterhand erhält Sonne, Mond 
und alle Welt; sieht, bewahrt, erhält auch mich, liebet mich so lch 
ey. 
367. Vergänglichkeit. 
Hin geht die Zeit, her kommt der Tod! Du bist ein Kind noch 
rosenrot und weißt doch nicht, an welchem Tag dein Herz nicht wieder 
schlagen mag. — O sieh, das Veilchen ist verblüht und hat noch gestern 
froh geglüht! Mein Kind, dem Veilchen, froh und klein, magst du wohl 
zu vergleichen sein. — Das Röschen auch entblättert steht, weil rauher 
Wind es angeweht; dem Blümchen, hell im Rosenschein, magst du wohl 
zu vergleichen sein. 
Sei wie die Blume du bereit dem Rufe Gottes allezeit! Getränkt 
von Tau und Himmelsschein, halt so dein Herz dir klar und rein. Wenn 
Gottes Engel kommt und spricht: „Mein Kind, hier ist dein Bleiben 
nicht! Du Röschen rot, du Veilchen klein, du sollst nun Gottes Blume 
sein! Und weil ich klar und rein dich fand, setz' ich dich ein in Gottes 
Land, wo Bäum' und Blumen höher stehn, wo seine Engel fröhlich 
gehn.“ Kletke. 
368. Der Grimm des Winters. 
Der Winter hatte sich einmal vorgenommen, alle Menschen und Tiere 
auf der Erde auszurotten. Deshalb kam er mit einer so grünmigen Kälte, 
daß alle Flüsse und alle Seen mit dickem Eise belegt wurden. Das 
ganze Feld war von tiefem Schnee bedeckt, und die Fensterscheiben waren 
jeden Morgen mit so dicken Eisblumen überzogen, daß sie den ganzen 
Tag nicht aäuftauen konnten. Allein der Winter hatte sich doch ein wenig 
verrechnet. Zwar ging es den armen Vögelchen übel, weil sie wegen 
des hohen Schnees draͤußen nichts zu fressen fanden, allein sie kamen in 
die Städte und Dörfer, und es streute ihnen gar manches mitleidige Kind 
einige Körnchen und Brotkrümchen, so daß die meisten leben blieben. 
nß waren schon vorher n Scharen von enn in wärmere 
Länder gewandert, wo der inter nicht viel ausrichten kann. Auch die 
übrigen Tiere erfroren nicht. Der liebe Gott hatte ihnen einen dickeren 
Pelz wachsen lassen, und die Hasen und Rehe scharrten sich einiges Kraut 
und einige Knospen unter dem Schnee heraus, so daß sie zwar ein wenig 
Hunger litten, aber doch nicht umkamen. Die Haustiere aber standen in 
warmen Ställen, deren Thüren und Fenster mit Stroh verwahrt waren. 
Und da ihnen alle Tage Heu und Häfer in die Krippe gebracht wurde, 
so hielten sie es auch aus und erfroren nicht. Die Menschen aber hatten 
sich eiserne Ofen verfertigt und machten Feuer hinein. Je ärger es der 
Winter mit seinem Froste machte, desto mehr Holz und Torf und Stein— 
kohlen brannten sie in den Ofen. Und wenn schon das Trinkwasser in die 
Wohnstube gebracht werden mußte, damit es nicht zu einem Eisklumpen 
gefror, und obgleich hier und da einem ein Finger oder gar die Nase 
erfror, so blieben doch die Menschen am Leben und holten 3 aus dem 
Keller ihre Nahrung wie zuvor. Da merkte der Winter, daß er nicht 
Kraft genug besaß, die Tiere zu vertilgen, weil der liebe Gott für sie 
gesorgt hatle, und ebensowenig die en weil diese Vernunft genug 
haben, um sich vor dem Grimm des Winters zu schützen. Da ließ er
	        
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