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Sind die Jungen endlich groß gefüttert, so daß sie das
Nest verlassen können, so führen beide Alten dieselben von
Ast zu Ast und zeigen ihnen das Fliegen und lehren sie,
wie sie sich selber ihre Speise suchen können.
Anfangs September sammeln sich endlich alle reise¬
lustigen Finken zum Abmarsch. Nur einzelne bleiben als
Wintcrgäste bei uns zurück. Eine Anzahl der gefiederten
Wanderer zieht nach dem Süden Europas, die übrigen
fliegen über das Mittelmeer und treiben sich in Scharen im
Norden und Nordwesten Afrikas umher, bis sie beim Be¬
ginn des Frühlings die Reise in ihre alte Heimat wieder
antreten. (Herm. Wagner.)
178. Vis Raubvögel.
a) Hörst du den hellen, scharfen Schrei, der am frühen
Morgen von dem Wipfel der hohen Ulme herüberschaHt ?
Ein Falk hat dort übernachtet und schwingt sich jetzt auf
zur schnellen Jagd. Hüte dich, Vöglein im Busch I Hütet
euch, ihr Tiere des Feldes! Der Falk und seine Kameraden:
Adler, Habicht, Weihe und Sperber sind scharfe, kühne
Räuber, die keine Barmherzigkeit üben. Was sie von
kleinem Getier erwischen, nehmen sie, nicht nur den Rock,
sondern auch noch den Kopf.
Die gefiederten Raubtiere des Falkengeschlechtes sind
reichlich mit Waffen ausgerüstet. Die gewaltigen Schwingen
treiben sie mit wenigen Flügelschlägen zu missender Schnellig¬
keit vorwärts und zwar viel rascher, als der Ruderschlag
das leichte Schilf durch die Wasserflut weiter bringt.
Schnabel und Kopf bilden den Kiel des lebendigen Luft¬
schiffes. Sie teilen die Wellen der Luft. An Hals und
Brust gleiten diese mit Leichtigkeit ab, und der Schwanz
bildet gleichzeitig Steuer und Fallschirm. Der kühne
Flieger zieht in mächtigen Kreisen hoch droben durchs
Luftmeer und steigt in Windungen immer höher und höher.
Hält er dagegen die Fittiche etwas nach unten geneigt,
so senkt sich der Flug und wird dadurch gleichzeitig