23. Bericht Ekkehards IV. von St. Gallen über den Ungarneinfall. 111
Nachrichten über Lehre und Leben in jenem Kloster enthält.
Mit einer Frische und Lebendigkeit der Darstellung, die nur
wenigen seiner Zeitgenossen eigen ist, erzählt er von den Schick¬
salen seines Klosters aus dem Anfang des zehnten Jahrhunderts
unter anderem folgendes:
1. „Unser Abt Engilbert hatte von König Heinrich die
Abtei erhalten und ihm Treue geschworen und kehrte in Ehren
entlassen zu uns zurück, als ein großes Unglück über uns kam.
Denn die Ungarn hatten von der Not des Reiches vernommen,
fielen wütend in Baiern ein und verwüsteten das Land (im
Jahre 924); sie lagen lange vor Augsburg, wurden dort durch
das Gebet des Bischofs Udalrich, des allerfrömmsten Mannes
seiner Zeit, verscheucht und drangen in Haufen nach Alemannien,
ohne daß sie jemand hinderte. Da zeigte der thätige Abt Engilbert,
wie gut er sich gegen Unglück zu wehren wußte. Denn als das
Verderben herankam, mahnte er jeden einzelnen seiner Vasallen,
befahl den stärkeren Brüdern, sich zu bewaffnen, und ermutigte
die Hörigen. Er selbst that', wie ein Riese des Herrn, das Stahl¬
hemd an, zog die Kutte und Stola darüber und befahl den Brüdern,
ebenso zu thun. .Bitten wir Gott, meine Brüder', sagte er, ,daß
wir mit der Faust gegen den Teufel eben so stark werden, wie
wir es bis jetzt im Gottvertrauen mit dem Geiste gewesen sind.'
Es wurden Speere gefertigt und Brustpanzer aus dicker Lein¬
wand, Schleudern wurden geschnitzt, feste Bretter und Weiden¬
geflecht zu Schilden gemacht, Sparren und Stangen gespitzt und
am Feuer gehärtet.
„Aber im Anfange glaubten mehrere Brüder und Dienst¬
leute dem Gerücht nicht und wollten nicht fliehen. Es wurde
aber doch ein Platz ausgesucht, der wie von Gott dazu bereitet
war, um einen Burgwall aufzuführen. Der Platz wurde auf
schmalem Berghals durch abgehauene Pfähle und Baumstämme
umschanzt, und es entstand eine sehr feste Burg. Eilig wurde
der notwendige Bedarf dorthin gebracht und schnell eine Kapelle
als Oratorium gebaut; in diese wurden die Kreuze und die Ver¬
zeichnisse der Spender in den Kapseln geschafft, und dazu fast
der ganze Schatz der Kirche, außer den Büchern, welche auf den
Gestellen standen. Diese hatte der Abt nach Reichenau gesandt,
doch waren sie dort nicht ganz sicher. Denn als sie zurück-