Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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burg; und wenn man seine langen Korridore hinabgeht oder seine 
Treppen hinaufsteigt bis zu der Höhe des Turmes, so mögen einem 
wohl die Schatten von Kaisern und Königen begegnen, die hier alle 
einmal in entfernten Zeiten geherbergt. Äber trotz dieser Größe, die 
auf ihm ruht, ist es ein gutes, gar trauliches und gemütliches Haus, 
wo der Fremde sich behaglich und heimisch fühlt. 
Doch nicht nur die Herberge Karls V. und der alte dreieckige 
Haidplatz davor mit dem alten Brunnen und der Justitia in der Mitte 
und alle die alten Häuser ringsum erwecken in uns diese mittelalterlichen 
Stimmungen: es sind vielmehr in den Ecken und Winkeln dieser Stadt 
mehr als in irgend einer andern Reste und Reliquien des hl. römischen 
Reiches deutscher Nation zurückgeblieben, welches, wie man weiß, am 
6. August 1806 hier des Todes verblichen ist. Viele von den allen 
Herrlichkeiten desselben hat Ratisbona nicht geschaut; es nahten bereits 
die Zeiten des Verfalls, als in den wüsten Glaubensstreitigkeiten, die 
dem dreißigjährigen Krieg vorangingen, der Reichstag hier in der 
Halle des Rathauses 1541 zum erstenmal saß; und jener Krieg hatte 
Deutschland schon zu einer Beute der Franzosen und der Schande 
gemacht, als die Versammlung 1663 ihren permanenten Sitz in dieser 
Stadt nahm, um sie nicht mehr zu verlassen, bis es kein Deutschland 
mehr gab. Noch kann man den großen Saal sehen mit seiner braun⸗ 
getäfelten Holzdecke und seinen vergoldeten Rofetten, in welchem die 
Reichsstände saßen auf Sesseln oder Stühlen, je nach der Rangordnung 
auf oder neben dem Teppich, um dessen Fetzen hartnäckig gekämpft 
ward, während draußen die Reichsländer verloͤren gingen. Noch sieht 
man durch diese tiefen Fenster mit den kleinen, runden bleigefaßten 
Scheiben auf die alte Straße hinab wie damals; dort am unteren 
Ende neben dem prächtig verzierten Portal ist die Tribüne für die 
Musikanten, welche Tusch bliesen, wenn irgend ein hochmächtiger Gesandter 
eintrat. Gegenüber auf einer Erhöhung steht der Thronsessel für den 
Kaiser, rotgepreßtes Leder, die Rücklehne mit dem Reichsadler geschmückt, 
ein Lorbeerkranz ringsum und die Jahrzahl von 1671. der Griff 
der Armlehne ist mit Messing beschlagen und mit den gekreuzten Schlüsseln, 
dem Wappen der freien Reichsstadt Regensburg verziert. Still und 
ausgestorben ist es jetzt in dem weiten, bis auf jenen Thron ganz 
leeren Saal; es ist ein Geruch darin wie von vermoderndem Holz, 
und in den Nächten wird man wohl auch den Holzwurm picken hören. 
Nebenan ist das Kurfürstenzimmer, gleichfalls braun getäfelt und mit 
schönen Gobelins aus dem 15. und 16. Jahrhundert bespannt. Wenn man 
aus demselben heraustritt, so fällt der Blick auf einen mächtigen Reichs— 
adler, über welchem eine Bischofsmütze prangt. 
Zu jener Zeit war Regensburg das, nur in einem weit ausge— 
dehnteren Maße, was später Frankfurt am Main geworden. Noch 
stehen viele schöne Paläste, in welchen die Gesandten der fremden Mächte 
residiert, und eine Straße, welche die meisten von ihnen bewohnten,
	        
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