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Der Aufenthalt in Holland, das sich zur ersten Seemacht der Welt
emporgeschwungen hatte, und aus dessen Kolonien dem Lande großer Reichtum
zufloß, ist für Friedrich Wilhelm, wenn er auch die Hoffnung, auf der Universität
zu Lehden seine Kenntnisse zu vervollständigen, vereitelt sah, dennoch von
großer Wichtigkeit gewesen. Während in seiner Heimat fast alles verwüstet
war, blühten dort Ackerbau, Handel und Gewerbe. Viele Kanäle
durchschnitten das Land, und in seinen Städten wohnten geschickte Hand-
werker und geschäftige und kunstliebende Kaufleute, von denen
mancher reicher war, als in Deutschland Grafen und Fürsten. Auch in Holland
hatte der Kriegslärm getobt, aber das Land war -nicht in eine Wüste ver¬
wandelt worden; denn nicht fremde, zügellose Söldnerscharen, sondern die
eigenen Bürger hatten hier Gut und Blut für Freiheit und Unabhängig-
feit eingesetzt. >Der Prinz sah, daß durch Fleiß und Ausdauer der Bewohner
und durch die gute Regierung vortrefflicher Fürsten auch ein kleines Land
zu hoher Blüte gelangen könne. Der Aufenthalt in Holland war für den
Kurfürsten eine treffliche Vorschule für seinen künftigen Beruf. Die Erfahrungen,
die er dort gesammelt, bildeten während seiner Regierung vielfach die Nicht-
schnür seines Handelns.
II. Friedrich Wilhelm als Kurfürst.
Die ersten Regierungsjahre.
1. Die Thronbesteigung. Im Alter von 20 Jahren folgte
Friedrich Wilhelm seinem Vater in der Regierung. Gar traurig sah es
im Lande aus. Das wirtschaftliche Leben, die Staatseinkünfte, das Heer-
Wesen, alles lag danieder. In Kleve standen holländische, in der Ucker-
mark schwedische Kriegsvölker. Dem Alter nach noch ein Jüngling, brachte
der junge Knrsürst dennoch Kenntnisse und Fähigkeiten mit aus den Thron,
die zu den schönsten Hoffnungen berechtigten. Vor allem zeichnete ihn
ein festes Gottvertrauen aus, dazu ein hoher-Verstand, früh
gereift durch innere Arbeit uud den Ernst der Zeit. Nach seiner Rückkehr
aus Holland konnte er zu Berlin und Königsberg die traurige Lage
des Landes und die unhaltbaren Zustände am Hose kennen lernen. Die
Ratsversammlungen besuchte er fleißig, und schon damals reifte in ihm
der Entschluß, im Gegensatz zu seinem Vater eine durchaus selbständige
(absolute) Regierung zu führen.
2 Einigung des Landes. Die Gebietsteile des brandenburgischen
Staates, die nur durch Personalunion miteinander verbunden waren,
lagen weit voneinander entfernt, und ihre Bewohner standen sich einander
sremd und kalt gegenüber. Die Preußen sahen in Friedrich Wilhelm
nur ihren Herzog, die Bewohner der Mark nur ihren Kurfürsten.
und von Liebe und Anhänglichkeit an ihren Landesfürsten war bei den
Brockmann. Lehrbuch der Geschichte III. 4