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hörte man die Trostesworte des Knaben. „Warte nur noch ein
kleines Weilchen!“ sagte er zu seiner Mutter. „Ich habe ja den
Vater im Himmel gebeten, er wird uns auch gewiß Brot schicken,
obgleich die Leute uns keins geben wollen.“
Darauf trat der Bote in die kleine Stube, setzte den Korb mit
Lebensmitteln auf den Tisch und sprach: „Ein Unbekannter schickt
euch diese Gaben.“
Da verklärte sich das Angesicht des Knaben. Die Mutter aber
staunte und sah mit ihren verwunderten Augen bald auf den Boten,
bald auf die ausgebreiteten Gaben. Freudenthränen rollten über ihre
Wangen herab, und sie dankte dem unbekannten Geber. Der Knabe
aber faltete still dankend seine Hände und lächelte seiner Mutter zu.
268. Was Gott schickt, ist gut.
Ein Kaufmann ritt einst von einem Jahrmarkte nach Hause und
hatte hinter sich ein Felleisen mit vielem Gelde aufgepackt. Es reg—
nete heftig, und der gute Mann wurde durch und durch naß. Er war
daher sehr unwillig, daß Gott ihm so schlechtes Wetter zur Reise gab.
Indem kam der Kaufmann in einen dichten Wald und sah mit
Entsetzen einen Räuber am Wege stehen, der mit seiner Flinte auf
ihn zielte und schon abdrückte. Allein vom Regen war das Pul—
ver naß geworden, und der Schuß ging nicht los. Der Kaufmann
gab seinem Pferde die Sporen und entkam glücklich.
Als er nun in Sicherheit war, sprach er: „Was für ein Thor
bin ich gewesen, daß ich das schlechte Wetter nicht als eine Schickung
Gottes annahm! Wäre das Welter schön und trocken gewesen, so läge
ich jetzt tot in meinem Blute, und meine Kinder warteten vergebens
auf meine Heimkunft. Der Regen, über den ich murrte, rettete mir
Gut und Leben.“
269. Reimsprüche.
1. Ein jeder nehme wohl in acht, 2. Wer sich des Brotes freuen will,
was Lust und Ehr ihm hat gebracht: muß guten Teig sich kneten.
Der Wirt seinen Krug, Wer sich des Gartens freuen will,
der Krämer sein Tuch, der muß das Unkraut jäten.
der Bauer seinen Pflug, Wer sich des Lebens freuen will,
das Kind sein Buch! muß arbeiten und beten.