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Der Burggrat Jeschke war mit seinen Getreuen noch glücklich ent-
kommen, aber er hatte seine Familie zurückgelassen, und diese musste
sich dem Sieger auf Gnade und Ungnade ergeben.
Wilbelm benahm sieh gegen die Gräfin als echter Ritter. Er
sprach: „Nicht mit Weibern habe ich gekämpft, sondern mit Männern.“
Er gewüährte ihr freien Abzug und erlaubte ihr auch noch, soviel von
ihren Kostbarkeiten mitzunehmen, als ihre Arme zu tragen vermöchten.
Bald õffnete sich das Burgthor, und vor dem Sieger stand die Burg-
frau, beladen mit ihren kostbarsten Schäützen — ihren beiden Söhnen, die
sie auf den Armen trug. NMarkgraf VWilhelm war gerührt von diesem
Zuge mũtterlicher Liebe und liess die Grüfin von einem seiner Ritter
nach dem Schlosse Heidenau bringen. Dann sandte er an Wertsachen
aus der Burg ihr soviel nach, als seine Knechte fortzuschaffen ver-
mochten. Die Burg aber ward in einen Trümmerhaufen verwandelt.
Spuren davon sind noch heute zu sehen.
8. Die vierzehn Nothelfer bei Gottleuba.
Im Jahre 1429 fielen die Hussiten ins Land Meissen ein und ver-
wüsteten alles mit Uord und Brand. Dabei kamen sie auch in das schöne
und tiefe Thal, in welchem das Stadtehen Gottleuba liegt. Hlüchtlinge
aus dem benachbarten Liebstadt brachten die Nachricht, dass das feindliche
Heer im Anzuge sei. Da bemächtigte sich aller Schrecken, Angst und
Verzweiflung. Um in die nahen Berge zu fliehen, war die Zeit zu kurz.
Diese Rettung war nur möglich, wenn es gelang, den Peind eine Zeit
lang aufzuhalten.
Da trat der Bürgermeister des Städtleins auf, rief raseh die rat-
losen Bürger auf den Markt zusammen und forderte sie auf, zurück-
zubleiben und sich den Hussiten entgegenzuwerfen, auf dass Greise,
Weiber und Rinder Zeit zum Entrinnen gewönnen. Seine Bitte fand
nicht taube Ohren, denn fast alle webrhaften Männer waren bereit, aut
Tod und Leben zu kämpfen. Allein der tapfere Mann wählte nur drei—
zehn Unverheiratete aus, und mit diesen zog er, nachdem sie von den
Ihrigen auf Nimmerwiedersebhen Abschied genommen hatten, auf eine
steile Bergspitze, bei welcher die Feinde vorüberziehen mussten, wenn
sie zur Stadt gelangen wollten.
Die Hussiten liessen nicht lange auf sich warten und drangen mit
Macht auf das Häuflein ein. Die vierzehn wälzten aber Steine in das
Phal hinab und hieben und stachen so tapfer um sich, dass die Hussiten
erst nach Verlauf von drei Stunden in das Thal hinabziehen konnten.
RKeiner von den vierzgenn war mehr am Leben. Doch was sie gewollt
hatten, war erreicht. Die Hussiten fanden das Städtlein leer, alle
Bewohner waren geflüchtet. — Noch jetzt heisst die waldige Anhöhe,
wo diese Maänner so wacker stritten und ihr Leben für ihre Mitbürger
liessen, „die vierzehn Nothelfer“.