dauerten ihn nicht; sie freuten sich vielmehr, daß sie seiner los
wurden. Einige von ihnen, die er sonst verfolgt hatte, wollten
nun ihren Haß an ihm auslassen. Der arglistige Fuchs kränkte
ihn mit beißenden Reden; der Wolt sagte ihm die ärgsten Schimpf—
worte; der Ochse stieß ihn mit den Hörnern; das wilde Schwein
verwundete ihn mit seinen Hauern, und selbst der träge Esel gab
ihm einen Schlag mit seinem Hufe. Das edle Pferd allein blieb
schweigend stehen und tat ihm nichts, obgleich der Löwe seine
Mutter zerrissen hatte. „Willst du nicht,“ fragte der Esel das Pferd,
„dem Löwen auch eines hinter die Ohren geben?“ Das Pferd ant—
wortete: „Ich halte es für niedertrãchtig, mich an einem Feinde
zu rächen, der mir nicht mehr schaden kann.“ Lessing.
77. Das Roß und der Stier.
Auf einem feurigen Rosse ritt ein dreister Knabe daher.
Da rief ein wilder Stier dem Rosse zu: „Schande! von einem
Knaben ließe ich mich nicht regieren!“ — „Aber ich,“ versetzte
das Roß; „denn was für Ehre könnte es mir bringen, einen Knaben
abzuwerfen?“ essing.
78. Der Esel in der Löwenhaut.
Ein Esel, dem die Arbeit nicht gefiel, war seinem Herrn ent—
laufen und fand im Walde zufällig die Haut eines Löwen. Er steckte
sich in dieselbe und setzte Menschen und Tiere in Schrecken. Sein
herr suchte ihn überall. Der Esel, seinen Herrn erblickend, fing auf
fürchterliche Weise zu brüllen an; er wollte auch diesen täuschen.
Aber sein Herr packte ihn an den Ohren und sprach: „Andere magst
du täuschen; bei mir wird es dir nicht gelingen; ich kenne dich, mein
lieber Langohr!“ Er gab ihm mit diesen Worten eine tüchtige Tracht
Schläge und trieb ihn wieder nach Hhause. Nack Raop.
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